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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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«
    »Ja. «
    »Ich … ich hätte auch heimgehen können, aber ich bin sehr krank. Sehr, sehr krank … wenn es mich überkommt – … Meine Mutter ist zu Hause und wartet. Einmal haben sie mich heimgehen lassen, aber dann überkam es mich. Dann bekomme ich Angst … ich bekomme Angst, und die steigt dann hoch in meinen Kopf, und dann überkommt es mich, und deshalb ist es passiert. Ich wollte ihr nicht wehtun, ich wollte nicht …« .
    »Haben Sie Ihrer Mutter wehgetan? «
    »Ja. Und sie hat mich geschlagen. Sie hat mich geschlagen … alles steigt dann in meinen Kopf, und ich kann nicht … ich muß hierbleiben, das weiß ich. Ich muß … ich bin sehr krank. Niemand zwingt mich dazu, aber ich habe eingesehen, daß ich sehr krank bin. Niemand … «
    »War Clementina auch sehr krank? «
    »Clementina hatte nicht solche Angst wie ich. Sie hat sich oft zu mir gesetzt, aber sie hatte immer sehr viel zu tun. Sie hatte … Clementina mußte putzen. Sie mußte immer so viel putzen, und dann konnte sie sich nicht zu mir setzen. «
    »Hat sie mit Ihnen gesprochen? «
    »Ja. Ja.« Angelo hatte die Arme so krampfhaft verschränkt, daß es ihm wehtun mußte. Eine Amsel hüpfte vorbei, und er beugte sich ruckartig nach vorn, um sie zu beobachten; seine Augen strahlten. Dann lehnte er sich ebenso abrupt zurück und lächelte den Maresciallo mit strahlendem Gesicht an .
    »Ein Vogel …«, flüsterte er .
    »Wie lange sind Sie schon hier?« fragte der Maresciallo .
    »Sehr lange. Sehr lange … vielleicht schon, seit ich zwanzig bin. Zuvor war ich woanders, aber ich erinnere mich nicht mehr. Ich muß unbedingt hierbleiben. «
    »Das verstehe ich. Sie waren vor Clementina hier, stimmt das? Sie waren schon hier, als sie kam. «
    »Ja. Ich muß unbedingt … «
    »Ich verstehe. Worüber hat Clementina denn mit Ihnen gesprochen? «
    »Sie hat nicht gesprochen. Ganz lange nicht. Sie hat viele, viele Jahre nicht gesprochen … Dann hat sie … vielleicht hatte sie damals Angst. Aber als sie zu schreien anfing, hat sie böse Worte geschrien. Schmutzige Worte … hat sie geschrien. «
    »Aber nicht, wenn sie sich zu Ihnen gesetzt hat, oder? Das mochten Sie doch gern, wenn sie sich zu Ihnen setzte? «
    »O ja, aber sie wollte mich heiraten, das wollte sie. Sie hatte ihre Rente, hat sie gesagt. Sie hatte … ich habe auch eine, und meine Mutter … nein, das stimmt nicht. Nicht böse sein. «
    »Ich bin nicht böse. «
    »Sind Sie mir nicht böse … Ich weiß, daß ich nicht lügen darf. Vielleicht habe ich eine Rente, aber ich kann mich nicht erinnern. Manchmal, wenn ich Angst habe, kann ich mich nicht an Sachen erinnern. Aber Clementina, die hatte eine Rente, und die haben sie ihr immer geschickt, und sie hatte immer ein bißchen Geld in ihrer Schürze. «
    »Und wer hat sie ihr geschickt? «
    »Wenn man nicht selbst hingehen kann, holt sie jemand anders für einen ab. Das hat sie mir gesagt. «
    »Und wer hat die Rente für Clementina abgeholt? Hat jemand sie besucht? «
    »Ihre Schwester. Manchmal ist ihre Schwester gekommen. «
    »Clementina hatte eine Schwester? Wie hieß sie denn? «
    »Ich weiß es nicht. «
    »Versuchen Sie sich zu erinnern. «
    »Ich weiß es nicht. Werden Sie nicht böse mit mir. Werden Sie nicht … Manchmal kann ich mich nicht an Sachen erinnern, weil ich krank bin. «
    »Ist schon gut. Das macht nichts. «
    »Wirklich? «
    »Aber sicher. Machen Sie sich keine Sorgen. «
    »Ich kann nichts dafür. «
    »Nein, nein … Es macht gar nichts. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir gesagt haben, daß Clementina eine Schwester hatte. Das wußte ich nämlich nicht. «
    »Sie hatte auch ein Haus. Deshalb konnte sie heimgehen. Aber ich kann nicht heimgehen, weil es mir nicht gut genug geht. «
    »Sie war früher einmal verheiratet, hat sie Ihnen das erzählt? «
    »Nein. Aber sie hatte einen Ring, und den habe ich gesehen. Alle haben gesagt, ihr Mann ist tot und ihr Kind auch, aber sie hat es nicht gesagt. Vielleicht konnte sie sich auch nicht an Sachen erinnern, wie ich, weil sie krank war. «
    »Vermutlich ist das der Grund. «
    »Wenn sie doch nur zurückkommen würde …« Er sah den Maresciallo mit flehendem Blick an. »Ich bin so einsam. «
    Sein Atem ging flach und stockend. »Ich bin so einsam, daß ich … Ich habe solche Angst, ganz allein zu sein, das wissen alle hier. Wenn jemand bei mir ist, geht es mir gut. Jetzt geht es mir gut, weil Sie da sind, oder wenn ein Vogel da ist … Heute morgen ist es

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