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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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soll nicht heißen, daß man das ganz ausschließen darf. Immerhin bringen psychisch gesunde Menschen gelegentlich jemanden um, und mit demselben Recht könnte auch ein psychisch Kranker einfach jemanden umbringen. Aber einen Grund müßte es trotzdem geben. «
    »Vergangene Woche hat sie Besuch bekommen. Von einem untersetzten Mann, nahezu glatzköpfig, der deutlich hinkte. Sagt Ihnen das etwas? «
    »Leider nicht. «
    »Die Beschreibung paßt wohl nicht auf den Mann, der gestern da war? «
    »Überhaupt nicht. Er war völlig unscheinbar … etwa so alt wie ich und sehr gut gekleidet. Von Hinken keine Spur. «
    »Hat Clementina Besuch bekommen, solange sie hier war? «
    »Ich kann mich nicht erinnern, aber natürlich ist das möglich, ohne daß ich etwas davon weiß. Sie dürfen nicht vergessen, daß wir damals dreitausend Patienten hatten, und es ist nicht meine Aufgabe, mich persönlich um sie zu kümmern; ich verbringe die meiste Zeit hier im Büro. Was ich Ihnen über Clementina sagen kann, weiß ich vorwiegend aus ihrer Akte und aus Bemerkungen anderer über ihr sonderbares Verhalten, die ich so aufgeschnappt habe; allerdings habe ich sie regelmäßig mit ihrem Handfeger auf dem Gelände gesehen. «
    »Verstehe.AbersiehatteeinenMann.Inihrem Personalausweis steht, daß sie verwitwet ist. «
    »Ich kann mich nicht an einen Ehemann erinnern – warten Sie einen Moment! Wenn ich mich nicht irre, wurde ihre Krankheit durch einen Todesfall ausgelöst; vielleicht hat sie ihren Mann verloren, bevor sie hierherkam. Das war freilich lange vor meiner Zeit, aber unter welchen Umständen sie hier eingeliefert wurde, müßte aus dem Krankenblatt hervorgehen. Was halten Sie davon, wenn wir es von Anfang an durchsehen? «
    »Das ist schon so lange her«, murmelte der Maresciallo, »aber vielleicht haben Sie recht.« Mehr Hoffnung hätte er sich gemacht, wenn Clementina erst kürzlich entlassen worden wäre und jemand sie nicht auf freiem Fuß haben wollte, aber sie hatte so viele Jahre im selben Haus gewohnt, ohne daß ihr etwas zugestoßen war. Folglich mußte es einen aktuellen Grund geben, weshalb es ihm sinnlos erschien, so weit zurückzugehen .
    »Gut«, sagte er, »alles, was dazu beiträgt, daß ich sie und, wenn möglich, ihre Familie besser kennenlerne – es kann doch nicht sein, daß sie grundlos eingeliefert worden ist? «
    »Schwer vorstellbar«, sagte der Archivar, »weil es zu viele Kontrollinstanzen gibt. Kein Patient kommt auf direktem Weg hierher – oder kam auf direktem Weg hierher, sollte ich lieber sagen, da wir ja niemanden mehr aufnehmen. Ich will Ihnen kurz erklären, wie das Verfahren damals aussah, als Clementina zu uns kam. Zunächst war eine Bestätigung erforderlich, aus der hervorging, daß die betreffende Person eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt – in diesem Fall für sich selbst. Diese Bestätigung mußte von der Polizei ausgestellt werden, in manchen Fällen machte das auch der Bürgermeister. So oder so haben wir keine Kopie bekommen, und das Original blieb bei der Polizei beziehungsweise im Bürgermeisteramt. Mit dieser Bestätigung konnte der Patient zur Beobachtung in eine Klinik aufgenommen werden, in ein ganz normales Krankenhaus wie Santa Maria Nuova. Anschließend wurde er entweder entlassen oder zur Begutachtung hierher überstellt – aber eine Einweisung war das noch nicht. Der Patient kam zunächst in unsere klinische Abteilung, die damals zur Universitätsklinik gehörte – vielleicht haben Sie beim Hereinfahren das große Gebäude linkerhand bemerkt. Von dem Tag an trat eine Frist von bis zu dreißig Tagen in Kraft, denn länger durfte kein Patient hierbehalten werden. Nach Ablauf der dreißig Tage mußte er entweder entlassen oder ordnungsgemäß in die Anstalt eingewiesen werden. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, daß Clementina unmöglich zu Unrecht eingewiesen worden sein konnte. Dazu mußte sie zu viele Etappen durchlaufen. «
    »Da haben Sie recht. Ist in irgendeiner dieser Bestätigungen der genaue Grund angegeben … ich meine, die Ursache für ihre Krankheit? «
    »Nicht in den Bestätigungen, da nicht. Ich zeige sie Ihnen. Die von der Polizei haben wir, wie gesagt, nicht hier. Aber wir haben den Begutachtungsantrag, aufgrund dessen sie an die Klinik überstellt wurde, und dann den Unterbringungsbeschluß … irgendwo … das ist aber seltsam, der sollte ganz am Anfang sein … aber vielleicht habe ich was durcheinandergebracht. «
    Der Maresciallo

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