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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Frau von ihr hineinführen. Sie lachte mit heiserer, unkontrollierter Stimme, die durch die trostlose Stille ringsum noch verstärkt wurde .
    »Ich nehme an«, sagte der Maresciallo, »daß keine Patienten mehr da sind, die Clementina gekannt haben … «
    Mannucci schüttelte den Kopf. »Früher mal, als wir noch Kurzzeitpatienten hatten … bei den armen Geschöpfen, die jetzt noch hier sind … Aber warten Sie – Angelo ist noch da. Ich glaube, Clementina ist oft zu ihm in den Garten gegangen und hat sich zu ihm gesetzt. «
    »Wieso das? Ist er verkrüppelt? «
    »Nein, das nicht. Sie werden es gleich selbst sehen. Er ist recht einsichtig, wenn er gerade keine Krise hat – aber erwarten Sie nicht zuviel, er ist ein sehr kindliches Geschöpf. Ich bezweifle, daß er Ihnen viel sagen kann. «
    »Ehrlich gesagt«, meinte der Maresciallo, »weiß ich nicht einmal, was ich von ihm erfahren möchte. «
    Gemeinsam gingen sie den geteerten Weg zwischen mehreren Reihen sorgfältig beschnittener Bäume entlang; der Maresciallo wollte seine Sonnenbrille aus der Brusttasche holen, aber da war sie nicht .
    »Ich weiß viel zu wenig über diese Frau. Anscheinend verkehrte sie nur mit ihren Nachbarn, und doch muß es jemanden … es muß noch andere Menschen in ihrem Leben gegeben haben, bevor sie hierherkam. Familie, Freunde – glauben Sie, daß sie so lange hier war, könnte eine Erklärung dafür sein, daß es in ihrer Wohnung kein einziges Foto von früher gibt? Diese Frage läßt mich einfach nicht mehr los. «
    »Das kann ich vielleicht erklären«, sagte Mannucci. »So etwas kommt vor, aber normalerweise nur in sehr schweren Fällen, bei Leuten, die überhaupt keinen Bezug mehr zur Realität haben, zum Beispiel wenn sie von Geburt an geistig extrem zurückgeblieben sind. Aber ich hätte gedacht, daß jemand wie Clementina eine kleine Schachtel mit persönlichen Schätzen besitzt. Selbst Angelo hat so eine, und sein Zustand ist ungleich schlechter als der von Clementina, sonst wäre er nicht mehr hier. Da sitzt er auf seiner Bank. Wie aus dem Ei gepellt und mit einem goldenen Herzen … Angelo! «
    Er war wirklich wie aus dem Ei gepellt, saß mit geschlossenen Beinen und fest verschränkten Armen da und beobachtete die beiden Männer, die auf ihn zukamen, aus schwarzglänzenden Augen. Sein Gesicht hätte man als hübsch empfunden, wenn nicht die Stirn viel zu groß und der Hinterkopf ganz abgeflacht gewesen wäre. Aus der Nähe schätzte ihn der Maresciallo auf höchstens Anfang Vierzig .
    »Ich habe doch nichts Böses getan, oder?« wandte sich Angelo sogleich an Mannucci. »Ich glaube nämlich nicht, daß ich was getan habe, ich glaube nicht. «
    »Nein«, sagte Mannucci sehr liebevoll, »der Maresciallo hat mich besucht, weil er etwas über Clementina erfahren wollte. Erinnerst du dich an Clementina? «
    »Ja, o ja. Sie hat sich immer zu mir gesetzt, sie hat immer … «
    »Der Maresciallo würde sich gern mit dir über sie unterhalten. «
    »Setzt er sich zu mir, tut er das? «
    »Ja, aber sicher. Setzen Sie sich doch, Maresciallo. Ich laufe kurz rein und sage der diensthabenden Schwester Bescheid. «
    Den Maresciallo beunruhigte es etwas, daß man ihn mit Angelo allein gelassen hatte. Da er keine Ahnung hatte, wie man bei einem psychisch Kranken am besten vorging, begann er das Gespräch wie üblich .
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe«, begann er .
    »Ist schon in Ordnung. Ist schon in Ordnung. Ich bin sehr krank, wissen Sie, sehr krank, deshalb muß ich hierbleiben, aber im Augenblick geht es mir gut. Es geht mir schon den ganzen Vormittag gut. Es geht mir … «
    »Können Sie sich an Clementina erinnern? «
    »O ja. Ja. Sie hat sich immer zu mir gesetzt. Ich mochte Clementina gern. Sie war immer sauber und reinlich, wissen Sie. Sie war …« Er schaute dem Maresciallo fest in die Augen; sein Blick war voller Qual. »Es ist schrecklich hier, schrecklich. Die Leute sind so schmutzig, so dreckig … Die denken sich nichts dabei … hier draußen auf dem Gras, überall. Und einige von ihnen sind gefährlich. Ich weiß das. Ich weiß es! Ich bin auch gefährlich, wenn es mich überkommt, das weiß ich. Aber die restliche Zeit habe ich Angst, die restliche Zeit … verstehen Sie … «
    »Ich verstehe«, sagte der Maresciallo, »aber vor Clementina hatten Sie keine Angst, oder? «
    »Vor Clementina nicht. Clementina … kommt sie zurück? «
    »Nein, sie kommt nicht zurück. «
    »Sie ist heimgegangen.

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