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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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hinkte, war es nicht. Ein Rätsel war ihm nur, wie Clementina dahintergekommen war .
    10
    In Clementinas winziger Küche war es dunkel. Vielleicht kam wieder ein Gewitter. Die Luft war so stickig, nachdem der Raum bei dieser Hitze so lang verschlossen gewesen war, daß der Maresciallo das kleine Fenster öffnete und ein bißchen feuchte Luft und den Geruch sich ankündigenden Regens hereinließ. Sehr viel heller wurde es dadurch nicht, und als er den Lichtschalter betätigte, geschah nichts. Anscheinend war bereits jemand vom Elektrizitätswerk dagewesen, um den Strom abzuschalten, bis der nächste Mieter einzog. Der Maresciallo fragte sich, wer das sein mochte. Die Eigentümer würden die Wohnung im derzeitigen Zustand wohl kaum vermieten können. Es störte ihn, daß es hier drinnen so düster war, auch wenn er nicht viel zu erledigen hatte. Er zog die Tischschublade auf, die ihm zuvor Kopfzerbrechen bereitet hatte, inzwischen freilich nicht mehr. Er zog sie ganz heraus, ohne etwas anzurühren. Die Zeitungsseite, die sich hinten zusammengeschoben hatte, war, wie erwartet, verschwunden. Warum sie sie all die Jahre dort aufbewahrt hatte, war ihm nicht ganz klar. Aber es hätte Aufschluß über die entscheidende Frage geben können, wie verrückt Clementina wirklich gewesen war. Hatte es, wie Linda Rossi gemeint und Signora Santoli vermutet hatte, Zeiten gegeben, in denen sie klar bei Verstand war, sich an ihre Vergangenheit erinnerte und sie mit ihrer Gegenwart vergleichen konnte? Freilich war es bequemer, sie für völlig verrückt zu halten und davon auszugehen, daß sie alles vergessen hatte. Vielleicht war es auch für sie bequemer gewesen, sich in den Jahren in der Anstalt in geistige Umnachtung zu flüchten, so daß dieses Verhalten zur Gewohnheit wurde. Und trotzdem hatte sie diese Zeitungsseite fast zwanzig Jahre lang aufbewahrt. Die und das Foto, auf dem sie als verrückte Alte zu sehen war, die für einen jungen Reporter ihren Handfeger schwingt. Jemand hatte den falschen Zeitungsausschnitt mitgenommen, nachdem er sie umgebracht hatte, hatte statt ihrer Vergangenheit irrtümlich ihre Gegenwart entfernt. Ein Fehler, der nicht sonderlich ins Gewicht fiel, solange ihr Tod als Selbstmord deklariert wurde .
    Anna Franci und die verrückte Clementina … Sobald er aus Santa Croce zurückkam, würde er Galli anrufen und ihn um die entsprechende Zeitungsseite aus dem Archiv bitten .
    »Ich besorge sie Ihnen. Ich weiß genau, wo ich suchen muß, weil ich sie ausgegraben habe, als ich den Artikel über sie schreiben wollte. «
    »Ich wünschte, Sie hätten mir was davon gesagt. «
    »Ich wünschte, Sie hätten mir gesagt, daß sie ermordet worden ist! Aber im Ernst, ich hätte es Ihnen gesagt, wenn Sie zurückgerufen hätten, als ich in der Redaktion war. Später habe ich es ganz vergessen, weil der Artikel in dieser Form nie zustande kam. Irgend jemand aus San Salvi hat angerufen und mich überredet, über ihre Zeit als Patientin dort zu berichten. Für mich war das Jacke wie Hose, und das habe ich ihm auch gesagt. Keine der beiden Geschichten war sonderlich aufregend für diese Jahreszeit. Ein hübscher, saftiger Skandal mit einer Prise Sex und Gewalt, damit läßt sich die Zeitung in der Urlaubszeit verkaufen, damit und mit dem Bingo-Wettbewerb. Und Sie glauben wahrscheinlich, Ihre Arbeit sei deprimierend … Ich schicke Ihnen eine Kopie rüber. «
    Der Maresciallo machte die Schublade zu und ging langsam durch die Wohnung. Im Schlafzimmer war es noch dunkler, weil die Fensterläden geschlossen waren. Diesmal suchte er nichts, sondern versuchte nur, sich die Wohnung einen Augenblick lang zu eigen zu machen. Bis jetzt war immer jemand vor ihm dagewesen, genau wie in der Anstalt, und hatte alle Spuren von Anna Franci und ihrer Geschichte entfernt. Jemand, der schlauer war als er und es immer schaffte, ihm einen Schritt voraus zu sein. Die Sache mit dem Mord war erst heute in der Morgenzeitung enthüllt worden, und doch hatte der Betreffende bis dahin vorsorglich seinen Gorilla hergeschickt, um diesmal den richtigen Zeitungsausschnitt verschwinden zu lassen. Woher hatte er das so frühzeitig gewußt? Der Maresciallo mochte nicht an einen Zufall glauben. Freilich konnte man die erste Ausgabe der Zeitung kurz nach Mitternacht am Hauptbahnhof bekommen, aber wenn der Mann auf diese Weise an die Information gelangt war, mußte er sich jeden Abend eine Zeitung besorgt haben, um sicherzugehen. Obwohl er viel zu verlieren

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