Tod eines Fremden
sich auch gut ausgedrückt und einen gewissen Stolz gezeigt hatte. »Weiß der Himmel, wie viele es noch sind.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Margaret. Sie zweifelte nicht im Geringsten daran, dass sie etwas tun würden. Und von Hester erwartete sie das Gleiche; es war ihrer Miene und ihrem tapferen, offenen Blick deutlich anzusehen.
Hester wollte sie nicht enttäuschen, ebenso wenig wie diese Frauen, die darauf vertrauten, dass sie etwas unternehmen konnte, was die Frauen nicht konnten. Aber das war belanglos. Über allem schwebte das Böse, das, wie Hester sich leicht vorstellen konnte, Hunderten von Frauen, die sie kannte, hätte passieren können – oder auch ihr selbst, wäre das Schicksal nur ein wenig anders verlaufen.
»Ich weiß nicht«, gestand sie. »Noch nicht. Aber ich lasse mir etwas einfallen.« Sie würde Monk fragen. Er war klug und einfallsreich, und er gab niemals auf. Der Gedanke, dass er ihr sicher helfen würde, beruhigte sie. Er würde diese Sache mit der gleichen Leidenschaft verabscheuen wie sie. »Ich lasse mir etwas einfallen«, wiederholte sie.
3
Bevor Hester am folgenden Morgen vom Coldbath Square nach Hause kam, empfing Monk in der Fitzroy Street eine neue Mandantin. Sie betrat den Raum mit der Anspannung und streng kontrollierten Nervosität, die fast alle seine Mandanten an den Tag legten. Er schätzte sie auf etwa dreiundzwanzig. Sie war nicht hübsch, obwohl ihr Betragen so voller Anmut und Vitalität war, dass es einen Augenblick dauerte, bis er es bemerkte. Sie trug einen dunklen Rock und eine passende, auf Taille geschnittene Jacke, deren Stoff sehr teuer sein musste, so perfekt, wie sie saß. Sie trug eine Tasche, die viel größer war als ein Ridikül.
»Mr. Monk?«, fragte sie. Eine reine Formalität. Sie strahlte eine Entschlossenheit aus, die deutlich machte, dass sie da war, weil sie wusste, wer er war. »Ich bin Katrina Harcus. Sie stellen private Ermittlungen an. Ist das richtig?«
»Guten Tag, Miss Harcus«, antwortete er und wies auf einen der beiden großen, bequemen Sessel links und rechts vom Kamin. Heute brannte ein Feuer. Es war Frühling, aber frühmorgens und abends war es immer noch frisch, insbesondere wenn man stillsaß oder bedrückt war. »Sie haben ganz Recht. Bitte, setzen Sie sich, und erzählen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.«
Sie dankte ihm. Die Tasche, die sie zu ihren Füßen abstellte, schien, der Form nach zu urteilen, Schriftstücke zu enthalten, was die Frau bereits als ungewöhnlich kennzeichnete. Die meisten Frauen kamen weniger aus geschäftlichen Gründen zu ihm denn aus persönlichen: verlorener Schmuck, ein Misstrauen erregender Hausangestellter, ein zukünftiger Schwiegersohn – oder eine Schwiegertochter –, über den oder die sie mehr zu erfahren wünschten, ohne sich jedoch zu verraten, indem sie sich bei deren Bekannten erkundigten.
Er setzte sich ihr gegenüber.
Sie räusperte sich, als müsste sie ihre Nervosität unterdrücken, und sprach dann mit tiefer, klarer Stimme. »Ich werde mich bald mit Mr. Michael Dalgarno verloben und habe die Absicht, ihn zu heiraten.« Bei der Nennung seines Namens musste sie unwillkürlich lächeln, und in ihren Augen war ein Strahlen, das ihre Gefühle deutlich verriet. Dennoch fuhr sie fort, ohne auf Monks Anerkennung oder Gratulation zu warten. »Er ist Teilhaber einer großen Gesellschaft, die Eisenbahnen baut.« Hier verhärteten sich ihre Züge, und Monk spürte wachsende Angst. Er war es gewöhnt, Menschen sorgfältig zu beobachten, die Neigung des Kopfes, die Hände, die verschränkt oder entspannt waren, die Schatten in einem Gesicht, alles, was ihm verriet, welche Gefühle die Menschen hinter ihren Worten verbargen.
Er unterbrach sie nicht.
Sie atmete tief ein und stieß die Luft leise aus. »Das ist sehr schwer, Mr. Monk. Ich muss vertraulich mit Ihnen sprechen, als wären Sie mein Rechtsbeistand.« Sie sah ihn fest an. Sie hatte sehr schöne Augen, eher goldbraun als dunkel.
»Ich kann ein Verbrechen nicht verschweigen, Miss Harcus, wenn ich Kenntnis davon habe«, warnte er sie. »Aber davon abgesehen ist alles, was Sie mir eröffnen, vertraulich.«
»Das hat man mir berichtet. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich mich vergewissern musste, aber ich muss Ihnen Dinge erzählen, die mir, wenn sie weitergetragen würden, großes Ungemach bereiten würden.«
»Wenn es nicht darum geht, ein Verbrechen zu decken, wird das nicht geschehen.«
»Und wenn es dabei auch um ein
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