Tod eines Fremden
weil sie auch ihn selbst betraf?
Konnte ein Zusammenstoß zwischen einem Kohlenzug und einem Sonderzug irgendetwas mit Betrug zu tun haben? Der Schreiber, der ihm von dem Unfall erzählt hatte, hatte gesagt, man habe die Unfallursache nie herausgefunden. Sicher hatte es Untersuchungen gegeben. Experten hatten jede Einzelheit unter die Lupe genommen und hätten bei Verdacht auf Betrug so lange alles auseinander genommen, bis sie alle Tatsachen offen gelegt hätten.
Diesen Gedanken sollte er sich aus dem Kopf schlagen. Seine einzige Schuld bestand darin, dass er Dundas für unschuldig gehalten hatte und es ihm nicht gelungen war zu erreichen, dass er freigesprochen wurde. Es hatte nichts mit dem Zusammenstoß zu tun. Dundas war ins Gefängnis gekommen und dort gestorben. Ein guter Mann, der Monk gegenüber bedingungslos großzügig gewesen war, war Opfer eines juristischen Fehlers geworden. Menschen waren fehlbar, und einige waren schlecht oder taten zumindest Schlechtes.
Was war mit Michael Dalgarno, den Katrina Harcus so leidenschaftlich liebte? Es war Zeit, dass Monk ihn von Angesicht zu Angesicht kennen lernte und sich seine eigene Meinung bildete.
Er überquerte den äußeren Ring und ging flotten Schrittes die York Gate hinunter zur Marylebone Road, wo er den nächsten leeren Hansom Richtung Süden in die Dudley-Street nahm zu den Büros von Baltimore und Söhne.
Er ging die Stufen hoch und trat durch die Tür des Gebäudes. Dort stieg er die eichengetäfelte Treppe hinauf. Seine Gedanken rasten. Als er drin war und vor dem Sekretär stand, der auf sein Läuten am Empfangstresen herbeikam, hatte er sich zumindest grob zurechtgelegt, was er sagen würde. Eine Visitenkarte hatte er bereits in seiner Westentasche.
»Guten Tag, Sir. Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Sekretär.
»Guten Tag«, antwortete Monk selbstsicher. »Mein Name ist Monk. Ich vertrete Findlay und Braithwaite aus Dundee, die gebeten wurden, bestimmtes rollendes Material für Eisenbahnen in Frankreich zu erwerben, und, sollte ihre Unternehmung dort erfolgreich sein, auch in der Schweiz.«
Der Sekretär nickte.
»Baltimore und Söhne hat einen tadellosen Ruf«, fuhr Monk fort. »Ich wäre Ihnen äußerst verbunden, wenn jemand abkömmlich wäre, der mir den allerbesten Rat bezüglich möglicher Geschäfte von großem Umfang geben könnte. Wenn der für den Ankauf von Land und Material Verantwortliche Zeit für mich hat, könnte dies von großem Vorteil für uns alle sein.« Er zog die Karte heraus, auf der sein Name stand, eine Adresse in Bloomsbury und die sehr allgemein gehaltene Berufsbezeichnung »Berater und Vermittler«. Sie war ihm schon bei mancherlei Gelegenheit von Nutzen gewesen.
»Sicher, Mr. Monk«, sagte der Sekretär ruhig und schob seine Brille die breite Nase hinauf. »Ich werde Mr. Dalgarno fragen, ob er Zeit für Sie hat. Wenn Sie so freundlich wären, dort zu warten, Sir.« Das war eine Anweisung, keine Frage, und er verschwand mit der Karte in der Hand durch eine Tür und ließ Monk allein.
Monk betrachtete die Wände, an denen etliche bemerkenswerte Gemälde und Radierungen hingen, von denen einige dramatische Eisenbahnszenen zeigten: hoch aufragende Felsen und enge Schluchten, die von Schwärmen von Streckenarbeitern aus dem Fels gehauen wurden, winzige Gestalten vor einer grandiosen Kulisse. Zufahrtswege führten aus der Ebene in die Höhe, darauf Wagen voller Steine, deren Gewicht von Pferden gezogen wurde. Männer schwangen Spitzhacken, hoben Schaufeln, schleppten und gruben.
Er ging zum nächsten Bild, das den herrlichen Bogen eines Viadukts zeigte, der sich den halben Weg über ein Tal mit Marschland erstreckte. Auch hier waren Arbeitstrupps und Pferde bei der Arbeit, damit die Eisenbahn unbarmherzig ihren Weg fortsetzen konnte, um den industriellen Fortschritt, wie viel Wegstrecke auch immer dazwischen lag, von einer Stadt in die nächste zu bringen.
Er ging hinüber zur anderen Wand, wo Gemälde von Lokomotiven hingen – großartige, glänzende Maschinen, die Dampf ausstießen, mit schimmernden Rädern, leuchtend lackiert. Er spürte einen längst vergessenen Genuss, ein Schaudern aus Aufregung und Furcht, ein außergewöhnliches Hochgefühl.
Die Tür ging auf, und er drehte sich fast schuldbewusst um, als hätte man ihn bei einem verbotenen Vergnügen erwischt. Der Sekretär wartete auf ihn.
»Schön, nicht wahr?«, sagte er stolz. »Mr. Dalgarno hat jetzt Zeit für Sie. Wenn Sie mir bitte folgen
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