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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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eines Spültuchs eilends zu begrüßen oder zu verabschieden hatte, nicht im geringsten erschüttern ließ.
    Ein kleiner Krug Wasser wurde gebracht, ein Stück Brot aus Signora Giustis Küche und aus der Ko mm ode m it der Mar m orplat t e i m Schla f zimmer eine weiße Da m astdecke. Der Priester legte die Decke auf einen kle i nen Tisch neben dem Bett, stellte seine silbernen Gefäße darauf und zündete eine Kerze an.
    Durch das eine Fenster, dessen Läden geöffnet waren, fiel ein Sonnenstrah l , in dem der Staub tanzte und der das Bett und die halbnackte Gestalt darin und die gebeugte Figur der alten Frau in sein Licht tauchte. Der Priester in weißem Chorhe m d und violetter Stola m u r m elte ein Confiteor, trat dann in den Sonnenstrahl vor und hob seine blasse Hand, um dem Hollän d er vollkomme n en Ablaß und Vergebung aller Sünden zu gewähren.
    » I m Na m en des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    » A men . «
    Im Halbdunkel des Fußendes knieten sich die drei Brüder hin, so daß ihre schwarzen Kutten leise raschelten und ihre schwingenden Rosenkranzgürtel klappernd den Mar m orfußboden berührten. In der anderen Ecke des Zimmers war die hellgekleidete, reglose Gestalt des Wachtmeisters gerade noch zu erkennen.
    Der Priester drehte sich um und flüsterte dem Jun g en etwas zu, woraufhin i hm das kleine silberne Ölgefäß gereicht wurde. Er tauchte den Dau m en hinein und zeichnete auf die beiden geschlossenen Augen des Holländers j eweils ein Kreuz.
    » Durch diese heilige Salbung und seine m ildreiche Bar m herzig k eit verzeihe dir der Herr, was du durch Sehen gesündigt hast . «
    » A men . «
    Der Junge wischte das Öl m i t ei n em Tuch ab, während der Priester die Nasenflügel salbte.
    » Durch diese heilige Salbung und seine m ildreiche Bar m herzig k eit … «
    Ein leises Wimmern dra n g über die L i ppen der alten Frau, doch sie m erkte es wahrsche i nlich nicht. Ihre Augen waren auf das Gesicht des Holländers gerichtet, folgten nicht den Bewegungen der blassen, trockenen Hand, die sanft die a u fgesprungenen Lippen berührte, dann die Ohren und dann zur Hand wanderte, die sie hielt.
    » …verzeihe dir der Herr, was du durch deine Hände gesünd i gt hast…«
    Das Ölkreuz glitzerte auf der blutverkrusteten Hand. Der Junge tupfte es weg und trat, nach einem Blick zum Priester, ans Fußende, schlug die Decke auf und rollte graue Seidensocken herunter.
    » Durch diese heilige Salbung…«
    Der Blick der alten Frau wandte sich nicht einen Mo m ent vom Gesicht des Sterbenden. Vielleicht sah sie ja n i cht den Mann, sondern den kleinen Jungen, den sie vor langer Zeit gesundgepflegt hatte.
    Es war m uffig und stickig in dem düsteren Rau m . Der Wachtmeister, der seit Stunden nichts gegessen noch getrunken hatte, verspürte eine unangenehme Trockenheit in seinem Mund. Eigentlich h ätte er schon, zu m indest in Gedanken, seinen Bericht for m ulieren sollen, doch die R u he des Zimmers und die rh y th m ischen Bewegungen und d i e m onotone Stimme d es Priesters hatten etwas H y pnotisierendes. Der Lärm der Kinder und der Hunde, die unten auf der Piazza spielten und heru m tollten, schien aus einer anderen Welt zu kom m en, deren Bewohner a l l m ählich aus ihrer Mittagsruhe erwachten und wieder an ihre Arbe i t gingen.
    » …für die S ünden, die du begangen hast . «
    » A men . «
    Der Priester wischte seinen Dau m en auf dem kleinen Stück Brot ab und hielt die Hand über eine silberne Schale, da m i t der Junge ein wenig Wasser darübergießen konn t e.
    » Vater unser…«
    Er betete still weiter – das einzige, was sich im Z i m m e r bewegte, war der Staub, der in dem Sonnenstrahl t anzte –, bis er wieder den Kopf hob und laut fortfuhr: » Und führe uns nicht in Versuchung.«
    » Sondern erlöse uns von dem Übel . «
    Wieder raschelte und klickerte es leise, als die Brüder sich erhoben. E s war vorbei. Der Priester und der Junge packten alle benutzten Gegenstände vorsichtig wieder ein, auch das Brotstück und das fleckige Tuch, das m itge n om m en und in der Kirche verbrannt werden m ußte. Von dem Holländer, der jede Minute sterben m ußte, kam kein Geräusch, keine Regung. Der Wachtm e ister hoffte, in einem der anderen Zimmer ein Telefon zu finden, und schlich hi n aus. Es war klar, daß dieser Fall die Ko m petenz eines Unteroffiziers überstieg. Er würde m it der Einsatzzentrale telefonie r en m üssen, und die würde einen Offizier

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