Tod eines Holländers
vorbeischicken. Im abge d unkelten Wohnzimmer, d essen Mobiliar sich unter weißen Laken abzeichnete, fand er ein Telefon. Da es stillgelegt war, m ußte er in das Schlafzimmer zurück, um sich die Schlüssel zu Signora Giustis Wohnung zu holen.
» Hallo? Hier Guarnaccia, von der S t ation Pitti… Ja, ich bin's wieder…«
Jener erste Anruf, von der Pensione G i ulia aus, schien jedoch in einem anderen Zeitalter stattgefunden zu haben, so sehr do m inierte d er Sterbende alles und jeden in seiner un m ittelba r en U m gebung.
» Und sagen Sie dem Staatsanwalt Bescheid!… Ja… Nein, das ist nicht nötig. Die Leute von der Misericordia werden ihn direkt ins Gerichtsmedi z inische Institut bringen. Es ist überhaupt nicht eilig … «
Er wollte ver m eiden, daß die ganze Mannschaft hier aufkreuzte, noch ehe der ar m e Mann endgültig gestorben war. Ob er inzwischen vielleicht… Aber er lebte noch. Der Priester war gegangen; der älteste Bruder saß am Bett u n d hielt die eine Hand des Sterbenden, während Signora Giusti die andere Hand hielt. Der Wachtmei s ter trat zu ihr. Er überlegte, ob sie in ihrem Alter diese Aufregung überstehen würde… » S ignora … «
»Es geht schon. Lassen Sie mich mit ihm allein . «
Vielleicht hatte er dies m a l ihre Stimme erkannt. Gesehen haben konnte er sie nicht, denn seine Augen waren noch immer geschlossen, aber plötzlich sagte er m i t fester, b einahe normaler Stimm e : »Mammina?«
»Ich bin hier. Ich bin bei dir. Es wird alles wieder gut . «
» Sie war es nicht.«
Für einen Mo m ent war es still. Dann sagte er kraftlos: » Sc h m erze n …«
Kurz darauf öffnete sich ein Auge und blieb offen, während se i n Atem ein letztes Mal leise röchelte und dann stehenblieb.
2
»Was ist mit seinem Koffer ? «
» Nimm ihn m i t, so wie er ist. Und dies hier, und d i e Schlüssel…«
» He y , Luciani, sieh m al hier ! «
» Probier m al, ob du den Fensterladen aufkriegst. Das Licht h i er drin…«
» P latz da! Der Doktor kommt … «
In der Wohnung war es voll geworden. Die einen schafften alle m öglichen Sachen hinaus, die anderen nah m en die kri m inalistische Untersuchung an Ort und Stelle vor. Wohin sie auch traten, überall wirbelten sie Staub auf. Ab und zu leuchtete das Blitzlic h t der Fotografen durch den Rau m . Als der Doktor eintraf, m u ß te er über den zerbeulten, schwarzen Metallsarg steigen, der m i tten in dem sc h m alen Korridor stand. Es war nicht Professor Forli, sondern ein jüngerer Mann, der gerade erst sein Ass i stent geworden war. Er gab sich reserviert und för m lich und plauderte m i t niema n de m , so w ie Forli es während der Vorbereitung seiner Arbe i t getan hätte.
Der Wachtmeister hatte Bericht erstattet, Signora Giusti wieder in ihre Wohnung gebracht und kehr t e jetzt so unauffällig wie m öglich zurück, um den Technikern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Dieser Job gefiel i h m nicht besonders, dieses Ause i nandernehmen eines Menschenlebens, um es anschließend unter dem Mikroskop zu studieren, und er selbst hätte gar n i cht sagen können, warum er noch da war. Er wußte, daß er den Leuten im Weg war, während er in die Küche ging, um dort einem Mann in weißem Kittel zuzusehen, der syste m atisch Essensreste und eine fast leere Kaffeekanne einsammelte. Überall auf dem Boden lagen Kaffeebohnen, und unter dem Tisch war jede Menge verkrustetes Blut zu sehen.
Als letzter erschien der Staatsanwalt am Ort des Geschehens, m i t wehendem weißen L e inenjackett u nd einem gestreiften Hemd, das sich über dem Bauchansatz spannte, atemlos und m it rotem Gesicht nach dem vielen Treppensteigen und sichtlich verärgert, daß m an ihn bei einem ausgiebigen Lunch gestört hatte und er in der Hitze auch noch seinen Urkundsbea m ten hatte auf treiben m üssen.
» Na? Was g i bt ' s ? «
Er sah den zuständigen Offizier kaum an. Der Wachtm e ister kam zur Schlafzimmertür zurück und beobachtete die Szene. Den Offizier, der blutjung und sehr aufgeregt war, kannte er nicht. Ob es sein ers t er Fall war? Wie auch immer, nac h dem er seinen Bericht gegeben hatte, wandte er sich wieder m it Anweisungen an seine Leute, blickte aber jedesmal unsicher zum Staatsanwalt, als erwartete er ein Wort der Bestätigung oder der Kritik.
» Mit anderen Worten: Selbst m or d « , sagte der Staatsanwalt, nachdem er dem ernsten und exak t en vorläufigen Bericht des jungen Gerichtsmediziners m it kaum verhüllter Ungeduld zugehört hatte,
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