Tod eines Holländers
seinen großen Augen fixierte er den Grafen, während er ihn fragte: » Was bringt Sie zu der Annah m e, daß es jemand ande r s war? Ich m eine, daß er sich nicht selbst u m gebracht ha t ? «
» Aber…, tja, er hat es doch gesagt, oder? Ich weiß, er hat nicht gesagt, wer es war, aber er hat doch versucht, uns zu sagen, daß irgend je m a n d es nicht war, das haben Sie doch bestimmt gehört. Er hat gesagt: ›Sie war es nicht.‹ Natürlich kann m a n…«
Natürlich. Vielleicht hatte er nur wirres Zeug geredet, an etwas gedacht, was mit sein e m eigenen Tod nichts zu tun hatte…, aber kurz davor hatte er doch Signora Giusti angesprochen, als wüßte er genau, wo er war. Der Wachtmeister gestand sich ein, daß er kein besonders guter Kri m inalbeamter war. Er hatte die Be m erkung des Holländers gehört, nun gut, aber er hatte sie n i cht so interpretieren wollen, weil sie die e i nzige Person auszuschließen schien, die sich vermutlich oder tatsächlich mit ihm in der Wohnung aufgehalten hatte. Sie sc h ien, und darin stimm t en wohl alle überein, einschließlich des Staatsanwalts, entweder auf Selbst m ord oder auf einen Unfall zu deuten, wenn die einzige Person, d i e m an der Tat verdächtigen konnte, freigesprochen wurde. Vielleicht wollte er sogar seine Frau, m i t der er vorher im m erhin gestritten hatte, von Schuld freisprechen.
»Es erscheint mir wenig plausibel«, sagte der Wachtm e ister laut, » daß er, falls jemand versucht haben sollte, ihn u m zubringen, seinen letzten Ate m zug darauf verwendet, uns m i tzuteilen, wer es nicht war…«
» V i elleic h t erschien es ihm wichtig, e ine bestimm t e Person vor falschem Verdacht zu bewahren.«
» Vielleic h t hat er auch gelogen . «
» Auf dem Sterbelager!«
Der junge Graf war e m pört.
» Vielleic h t haben Sie recht. Ist Ihnen sonst noch etw a s aufgefallen, abgesehen von seinen Worten ? «
» Seine bedauernswerten Hände.«
Er preßte d i e eigenen Hände zusam m en, als wollte er eine i m aginäre Blutung verhindern. » Aber hauptsächlich seine Worte. Jetzt, da Sie es erwähnt haben, ko mm t es m ir schon seltsam vor, daß er nur gesagt hat, wer es nicht war. Nicht sehr hilfreich… Aber es ist m ir gestern nicht aufgefallen. Am stärksten fiel m ir auf, daß er so überrascht klang . «
4
Der Wachtmeister legte die Flasche Vinsanto vorsichtig auf den Rücksitz se i nes Wagens, neben das verschnürte Kuchenpaket, das der Barbesitzer ihm au f gezwungen hatte, und eine Ausgabe der Schönheiten von Florenz, einem G eschenk des Druckereibesitzers. Als sie durch den Lagerraum gek o mmen waren, u m geben von Papierbergen, eingehüllt in einen starken Geruch von Druckerfarbe und Metall, und an einer Milchglasscheibe vorbeigingen, hin t er der ein rh y th m isches Rattern von Maschinen zu hören war, hatte er gesagt: »Ich hab ein paar Exe m plare dav o n beko m men, weil wir es gedruckt haben – neh m en Sie, neh m en Sie! Zieren Sie sich nicht! Sie können es nach Sizilien m itne h m e n und Ihrer Fa m ilie zei g en. Sizilien ist auch schön, keine Frage, keine Frage, aber Florenz…«
Die Verabschiedung durch den jungen Grafen war, trotz des Vinsanto-Geschenks, weniger überschwenglich ausgefallen.
» V i elleic h t wollen Sie ja ein zweit e s Mal m it m ir sprech en « , hatte er zuversichtlich gesagt.
»Ich weiß nicht … «
» Sie dürfen nicht glauben, daß Sie m ich nicht erreichen, bloß weil wir draußen auf dem Land sind. Wenn es wichtig ist, kann m ein Vater…, ich werd Ihnen was sagen, ich kom m e m orgen in die Stadt, für alle Fälle. Wenn Sie a l so m it mir sprechen wollen, ich bin den ganzen Nach m ittag hier…, m eine Fa m ilie fände es nicht schön, wenn ich zum Mittagessen nicht da wäre, verstehen Sie, aber ich kann ja sagen, daß Sie m ich irgendwann am Nach m ittag s prechen wol l en. Das geht doch…«
» Ja, ich denke, das geht…«
Den Mar m orkorridor entlang hatten halbrunde T ischchen m it vergoldeten Lampen da r auf gestanden, abwechselnd dazwischen kunstvoll gearbeitete Stühle aus Eichenholz. Die Räume, durch die sie gekommen waren, standen fast leer. Sie waren auch an einer kleinen, geöffneten Tapetentür, die links in die Wand eingelassen war, vorübergekommen, und der Wacht m eister hatte gerade noch ein sch m ales Bett mit einem dunkelblauen Leinenanzug darauf erspäht, bevor der Graf eilig die Tür schloß.
»Ich werde m ich hier v o n Ihnen verabschieden.«
Als der Graf diese
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