Tod eines Holländers
über seine Schulter. »Er hat gesagt, ich soll Ihnen ausrichten, daß sie ein Taxi genommen hat und er hinterhergefahren ist, und jetzt ist er in der Zentrale Borgo Ognissanti, und er will wissen, wie ' s weitergehen soll… nur, das war schon vor über einer Stunde…«
»Wo ist er? Und wo ist die Frau, die er verdam m t noc h mal beschatten sollte? Würdest du m ich j e tzt endlich vorbeilassen.«
Als Gino sich noch im m er nic h t rührte, stieß ihn der Wachtm e ister zur Seite. Er sah n i cht den Dienstwagen, der draußen neben dem Kombi abgestellt war.
» Aber sie ist dort, ich m eine, war dort, und jetzt ist ein Offizier…«
Der Wachtmeister war schon an i h m vorbei ins Büro gestür m t . Auf seinem Tisch lag eine etwas regennasse Schirmmütze m it goldener F l am m e vorn und Silberlitze ringsheru m , und auf seinem Stuhl saß, einen Aktenordner vor sich und m it einem behandschuhten Finger langsam darauf pochend, der junge Leutnant m it blassem Gesicht und spitzen Lippen.
8
Der Wachtmeister war überaus zufrieden. Vor ihm lag die Akte Goossens, der Inhalt war auf dem Tisch ausgebreitet, und er beschrieb m i t rascher Hand ein Blatt Papier. Draußen unter dem hohen Fenster fuhren Autos vorbei, die m i t aufheulender oder verklingender Sirene das elektronisch gesicherte Tor der Zentrale passierten. Nach dem Gewitter waren die letzten Stunden Sonnenschein so etwas wie ein neuer Tag gewesen, der Hi mm el, der sich schon zartrosa zu färben begann, war hoch und k l ar. Wenn hin und wieder die Tür der Funkleitstelle ge g enüber auff l og und ein Lär m schwall nach außen über den Korridor drang, sah der Wachtm e ister nicht auf; nur ein zufr i edener Ausdruck trat dann auf sein Gesicht. Ihm war, als schnurrten die Co m puter nur für ihn. Der Leutnant war hinübergegangen, um sich m it den französischen Behörden in Verbindung zu setzen und m i t ih r er Hilfe herauszufinden, wann Signora Goossens den Är m elkanal überquert hatte. Der Wachtm e ister, der sich zu den Carabinieri ge m eldet h at te, lange bevor m an überall auf Co m p uter u m gest e llt hatte, wäre m i tgegangen, doch er befürchtete, im Weg zu stehen oder etwas zu berühren, was m an nicht berühren durfte. Die Jungs dort sahen für ihn höchstens wie Studenten aus, und als er i m Vorübergehen einen Blick in den Raum warf, hatte er bei sich gesagt: » Mann, haben wir aber gebildete Leute heutzutage . «
Er war stolz auf sie, als wären es seine eigenen Kinder.
Es klopfte an der Tür. Ein Carabiniere trat ein u nd brachte ein Tablett m it zwei Tassen Kaffee und ein paar Keksen.
»Leutnant Mori hat das bestellt, Herr Wachtm e ister . «
» Vielen Dank. Ich räu m e rasch die Papiere hier beiseite, dann können Sie das Tablett abstellen . «
Er lehnte sich für einen Mo m ent in s einem Sessel zurück und schlürfte den Kaffee. Der junge Bea m te mit seinem rötlichen Teint hatte ihn an Gino erinnert. Er lächelte, wie alle anderen Kollegen auch, bei dem Gedanken an Gino, wie verängstigt er hochgesehen hatte, als der Wachtmeister und der Leutnant beim Verlassen des Reviers gesehen hatten, wie er sich noch immer be m ühte, den See vor dem Eingang zu beseitigen. Solch ein Gesicht m achen Kinder, wenn ihre Eltern streiten und sie hilflos daneben stehen und zuschauen. Der Wachtmeister hatte ihm auf die Schulter geklopft, als wollte er sagen: » Ist schon gut, m e in Junge.«
Denn es war alles gut. Nach einer u m ständlichen Einleitung hatte der Leutnant schließlich verkündet, daß Signora Goossens ihn aufgesucht habe, und der Wachtmeister hatte sich innerlich schon darauf eingestellt, eine Erklärung zu for m ulieren – nicht für den Leutnant, sondern für seine Frau, wegen seiner plötzlichen Versetzung. Er hatte da m als gar nicht gedacht, daß er so viel riskierte, doch die Verlegenheit des Leutnants, sein Zögern, verstärkten seine Befürchtung, daß es sehr viel kritischer war als erwartet. Während er dasaß und m i t g erötetem Gesicht auf seine großen gefalteten Hände starrte, fiel es ihm schwer, sich auf das zu konzentrieren, was der Leutnant sagte. Als der sich ihm zuwandte und ihn direkter, nachdrücklicher ansprach, drang ein klarer Satz in seine verworrenen Gedanken.
»Etwas an dieser Signora Goossens ist mir doch aufgefallen. Mir schien, als verbarg sie etwas – doch waru m ? Wäre sie dann gekom m en? Sie hatte etwas Trotziges an sich, als ob sie etwas Unrechtes getan hatte, aber überzeugt war, daß
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