Tod eines Maahks
Diese Außenbezirke, Labyrinthe aus Lagern, Gängen und Aufenthaltsräumen, aus größeren und kleineren Einheiten, hatten Ähnlichkeit mit einem dreidimensionalen Puzzle. Auch war kein Hof wie der andere. Zumindest war mir das bisher so erschienen.
»Dann los!«, sagte mein Reisebegleiter und packte mich am Arm. Wieder fühlte ich mich fortgerissen und gleich darauf, an einem anderen Ort, wiederhergestellt.
*
Wir stießen auf Flüchtlinge, wie ich sie auch in den Polyport-Stationen der
Galaxis Diktyon kennengelernt hatte: Bokazuu, riesenhafte Rattenähnliche, eilten laut keifend und rücksichtslos drängelnd an uns vorbei, begleitet von Wesen, die Glücksdrachen ähnelten und allesamt glitzernde Brillen über den Augenpaaren trugen.
Wir begegneten blattähnlichen Geschöpfen, die ich auf OROLOGION kennengelernt hatte. Sie trieben sanft durch Gänge, vom leichtesten Luftzug der Ventilationssysteme bewegt.
Echsengeschöpfe mit Korkenzieherköpfen und hornigen Stacheln erzeugten mit ihren schmalen Mündern Klappergeräusche, während sie einander huckepack trugen und in irrwitzigem Tempo dahinrauschten, um bei jeder sich bietenden Möglichkeit den Platz zu wechseln.
Kopffüßler bliesen ihre Hinterteile auf, um die Luft ruckartig freizusetzen und sich unkontrolliert vorwärts zu bewegen.
Ich sah Zweibeiner mit drei Hörnern oder mit einem riesigen Glubschauge, mit Seestern-Köpfen oder mit Gesichtern, deren Facettenteilchen sich stetig umgruppierten ...
So viele bekannte und unbekannte Wesen. Bewaffnete und Unbewaffnete. Solche, die Schutzanzüge trugen, und solche, die nackt waren.
Und dann waren da noch die Acronis; diese plump wirkenden Gestalten, die ihre Köpfe überraschend schnell wenden und bewegen konnten. Ich hatte auf OROLOGION mit einem Acroni namens Galhamo Ciono zu tun gehabt. Er hatte den Widerstand gegen die Truppen der Frequenz-Monarchie organisiert und dabei gute Arbeit geleistet.
Doch er schien mir eine rühmliche Ausnahme gewesen zu sein; denn jene Acronis, denen wir begegneten, wirkten verwirrt.
»Sie sind hilflos und panisch«, kommentierte Fellmer. Er wirkte hoch konzentriert.
Dutzendweise liefen Acronis an uns vorbei in Richtung der südlichen Außenbezirke der Station. »Seit Wochen sind sie auf der Flucht.«
Er blieb stehen, sein Körper versteifte. »Fundamentalisten!«, stieß er gepresst aus, und es klang wie ein Schimpfwort. »Sie treiben die Acronis wie Vieh vor sich her, um sie in einer ungenutzten Halle unweit voraus zusammenzutreiben.«
Nach den Beobachtungen der letzten Stunde fiel es auch mir schwer, das Vorgehen dieser Maahks gutzuheißen. Die Methanatmer taten ihre Arbeit, als wollten sie den Polyport-Hof von Ungeziefer befreien. Sie nahmen keinerlei Rücksicht auf Kinder, Alte und Kranke, sie nahmen Verletzungen und Erkrankungen bewusst in Kauf. Sie erledigten ihre Arbeit rasch und effizient; doch ich wusste nur zu gut, dass es weitaus bessere Methoden gab.
Für Ruhe sorgen, das Vertrauen gewinnen, Strukturen schaffen und dort helfend eingreifen, wo es notwendig war. Auf diesen Grundlagen basierten von Terranern gesteuerte Evakuierungen.
Lloyd/Tschubai teleportierte, bevor uns die Fundamentalisten erreichten oder uns durch vorausgesandte Spionsonden identifizieren konnten. Wir landeten in einem ungewöhnlichen Umfeld: auf einem Moosteppich, der sich von einer Grünfläche kommend auf mehrere Gänge ausbreitete. Fremdartiges Leben griff zügellos um sich. Zwei Stations-Roboter lagen desaktiviert inmitten eines Schlackehaufens, gelb braun schillernde Wurzeln bohrten sich in Wände und rissen Deckplatten aus den Halterungen. Die Innereien primitive, gebündelte Kabelfasern, dicke Ventilationsschläuche, kristalline Verteiler und Leitsysteme und dergleichen waren ebenfalls vom Wurzelwerk gefährdet.
Ein neues Umfeld, neue Gefahren.
»Gib acht!«, warnte mich Lloyd/ Tschubai und sprang zur Seite.
Ich reagierte rasch und dennoch zu langsam. Ein Etwas, das aus faustdicken, sich ineinander verknäulten Ranken bestand, rollte auf mich zu und packte mich. Ich spürte nässende, klebrige Substanz, die mich an die Außenfläche der fast zwei Meter dicken Kugel band. Ich wurde weggerissen, getrennt von meinem Begleiter, wurde immer tiefer ins Innere der Lianenkugel gesogen.
Stimmen redeten auf mich ein. Sie hörten sich an wie das Rascheln trockener Zweige im Wind. Ich verstand: Jeder Strang dieses Kollektivwesens
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