Tod eines Maechtigen
es ein Zeichen so tiefliegender Unsicherheit, daß er sich ihrer selbst nicht bewußt war.
Tief sog der Hüter den Atem ein, hielt ihn an und ließ ihn dann ebenso langsam ausströmen.
Er würde es tun - und er würde es jetzt tun!
Beinahe wütend stieß er sich den rechten Zeigefingernagel, der binnen einer Sekunde zur Kralle sproß, ins linke Handgelenk. Wie in einem Akt der Selbstgeißelung öffnete er die Wunde weiter, als es vonnöten gewesen wäre.
Blut quoll hervor und rann ihm schwarz und kalt über die Finger und schließlich die ganze Hand. Ohne sonderliche Eile hielt er den Kelch unter das verletzte Gelenk und dirigierte den zähen Fluß in dessen Öffnung.
Bis etwa zur Hälfte füllte er das Gefäß. Dann ließ er seine Heilkraft ihre Wirkung tun und die Wunde schließen.
Die freie Hand schob er unter Remigius' Hinterkopf, hob ihn an und setzte ihm mit der anderen den Kelch an die schlaffen Lippen.
Dann kippte er den Gral, dessen Magie ihn just in diesem Augenblick in düsterrotem Glanz erstrahlen ließ, wie zum Zeichen ihrer Wirksamkeit.
Ein Gutteil des Hüterblutes lief Remigius über Kinn und Hals und versickerte in seinem Gewand. Den Rest aber schluckte er im Schlaf reflexhaft, hustend und würgend zwar, aber ohne davon zu erwachen. Statt dessen - Landru regte sich nicht, beobachtete gespannt und atemlos.
- nahm Schlafes Bruder Remigius in sein Reich! Der Tod holte ihn zu sich, und sein sinnloses Ringen mit dem Schnitter fesselte Landru mehr als jeder wirkliche Kampf, dessen Zeuge er je geworden war oder den er selbst in tausend Jahren gefochten hatte.
Wie eine Marionette eines wahnsinnig-virtuosen Spielers zuckte und zappelte Remigius, ohne die Augen zu öffnen. Ein metallenes Klimpern und Klappern untermalte seinen bizarren Tanz mit dem Tode, und Landru sah, daß es aus einem ledernen Beutel drang, den Remigius am Gürtel trug.
Ziellos schlug er um sich wie nach unsichtbaren Gegnern. Er ächzte und stöhnte, schrie schließlich, bis ihm Krämpfe jeden Laut abwürgten. Blaustich färbte seine bleiche Haut, als die Atemnot unerträglich - - und endlich tödlich wurde.
Ein fast tonloses Seufzen wehte ihm noch von den Lippen, während er kraftlos zurückfiel und schwer aufschlug. Dann lag er still.
Unbewußt ballte Landru die Linke zur Faust und schloß die Finger der Rechten so hart um den Kelch, daß seine Knöchel knackten. Gebannt hing sein Blick an Remigius' Gesicht.
Jetzt mußte es sich entscheiden .
Versagte die Macht des Kelches, wenn der Täufling kein Kind mehr war? Oder konnte sie auch einen Erwachsenen dem Tod entreißen und als Vampir ins Leben zurückkehren lassen?
Minuten vergingen, in denen nichts geschah, von den ruhigen Atemzügen der schlafenden Männer ringsum abgesehen.
Landrus Augen brannten längst, so intensiv stierte er den Toten an, ohne auch nur zu blinzeln. Er fühlte sich wie von Fieber erfaßt, erregt und grabeskalt in einem.
Und dann -
- ließ dieses Fieber nach. Als nichts sich veränderte, obschon Minuten sich längst zu einer halben Stunde oder gar mehr gereiht hatten.
Landru fühlte die Anspannung in sich vergehen. Als fließe ihm die Kraft aus den Gliedern, sanken seine Schultern herab. Enttäuscht erhob er sich - enttäuscht und wütend.
Die Enttäuschung würde sich im Laufe der Zeit verlieren.
Die Wut indes konnte er gleich hier ablassen!
Sein zornglühender Blick wanderte über die Gestalten der Schlafenden. Keiner von ihnen sollte je mehr die Augen aufschlagen. Jeder sollte dafür büßen, daß sie die Hand und mehr gegen ihn, den Mächtigsten der Alten Rasse, erhoben hatten.
Mit dem Tod würde er sie strafen!
Schon ging er neben dem ersten in die Knie, grub die Hand in dessen Schopf und bog ihm den Kopf zurück, bis die Haut am Hals sich spannte, straff wie ein Trommelfell. Wie das Herz eines Vogels pochte die Schlagader darunter - und gleich würde sie sprudeln, köstlich und munter wie Quellwasser aus einer Felsspalte.
Landru fletschte die Zähne. Beugte den Kopf hinab und - - erstarrte ...
»Laß die Zähne von ihm, verdammter Blutsauger! Genügt dir nicht, was du mir angetan hast?«
*
»Was -?« Landru sprang auf und fuhr noch in der Bewegung herum. Ungläubiges Staunen hatte allen Zorn aus seinen Zügen vertrie-ben.
Hinter ihm stand - Remigius, auferstanden von den Toten. Als Vampir? Wie aber konnte es dann angehen, daß - »Du«, setzte der Hüter an, zögernd vor Zweifel, »erinnerst dich an - dein Leben?«
Das konnte
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