Tod Eines Mäzens
wäre er vermutlich damit durchgekommen. Aber er hatte jahrelang einen gerissenen Geschäftsmann erpresst, der es mit einer Menge Drohungen und Gegenmaßnahmen versucht haben musste. Avenius wusste, wie man einen kühlen Kopf behält. Als wir miteinander gesprochen haben, blieb er wegen seines Treffens mit Chrysippus völlig gelassen. Mein Eindruck war, dass er sich in seiner Situation sicher fühlte und mit seinem Los zufrieden war.«
»Was ist denn dann passiert?«, fragte Vibia. Ich vermutete, dass sie mehr wusste, als sie zugab, und deswegen Druck ausübte.
»Chrysippus, der durch jahrelange Zahlungen die Aufdeckung verhindert hatte, zahlte weiter. Es ist ironisch, aber um das Geheimnis zu bewahren, gab er meiner Meinung nach Avenius das Geld für Lucrio. Tatsächlich bezahlte er damit den Kredit, den er ursprünglich selbst gewährt hatte. Nun ja, das Bankgeschäft ist sehr komplex! Avenius muss begeistert gewesen sein.«
»Das ist alles nur Spekulation«, grummelte Lucrio.
»Wohl wahr«, stimmte ich zu. »Also holen wir uns doch ein wenig Bestätigung …« Ich gab Aelianus, der immer noch an der Verbindungstür stand, ein Zeichen. »Aulus, würdest du Passus bitten, Pisarchus hereinzuschicken? Ach ja, und wir sollten die Familie nicht auseinander reißen, darum kann sein Sohn auch gleich mitkommen.«
LIV
Als der Transportunternehmer und sein jüngster Sohn hereinschlurften, fiel der körperliche Unterschied zwischen ihnen sofort ins Auge. Beide nervös, einen Raum voller Menschen zu betreten, die alle angespannt aussahen, schoben sie sich durch den Spalt der nur kurz aufgehaltenen Tür. Aelianus führte sie zu der hinteren Bankreihe. Sie hockten sich nebeneinander, der ausladende, aktive, sonnengebräunte Vater und sein städtisch bleicher, dünner und asketischer Sohn. Ihre Gesichter hatten jedoch dieselbe Knochenstruktur. Sie saßen eng beisammen, als stünden sie auf freundschaftlichem Fuße.
Ich erklärte ruhig, wir hätten über den Tod des Historikers Avenius und die Möglichkeit gesprochen, dass er Chrysippus erpresst hatte.
Pisarchus und sein Sohn schauten sich an, dann versuchten sie vorzugeben, sie hätten es nicht getan. Interessant. Daraus schloss ich, dass ihnen die Erpressung nicht neu war.
»Darf ich Sie etwas fragen, Pisarchus? Neulich, als Sie freiwillig ins Wachlokal der Vigiles kamen, nahmen wir – der Ermittlungschef und ich« – ich deutete mit einem Kopfnicken auf Petronius – »an, dass Sie eine Aussage zum Tod von Aurelius Chrysippus machen wollten. Dabei stellte sich heraus, dass Sie in Praeneste gewesen waren und von Chrysippus’ Tod gar nichts gewusst hatten.«
Pisarchus neigte zustimmend den Kopf. Er entspannte sich etwas. Ich hoffte, dass es an meinem ruhigen Vorgehen und meiner freundlichen Art lag. Allerdings schien er insgesamt ein selbstbeherrschter Mann zu sein. Er war vorsichtig, doch ich spürte, dass er nichts zu verbergen hatte.
»Über wessen Tod wollten Sie dann mit uns sprechen?« Als er nicht antwortete, drängte ich ihn. »Über den von Avenius, nicht wahr?«
Pisarchus stimmte widerstrebend zu.
»Was wollten Sie uns erzählen?«
Pisarchus warf seinem Sohn erneut einen Seitenblick zu. »Das kann ich nicht sagen.«
»Aber Sie vielleicht«, meinte ich und wandte mich an Philomelus. »Kellner brauchen keinen Vertraulichkeitsschwur zu leisten. Nur Ärzte müssen den hippokratischen Eid ablegen, obwohl Bankiers« – ich zwinkerte Lucrio zu – »durch das Gesetz geschützt sind, Einzelheiten über die Konten ihrer Kunden preisgeben zu müssen. Priester«, sinnierte ich, »könnten moralische Gründe anführen oder einfach lügen, um Gönner des Tempels zu schützen.« Ich warf Diomedes einen raschen Blick zu. »Sie, Philomelus, stehen also unter keinerlei Verpflichtung. Avenius ist tot – und ich will Ihnen noch etwas sagen. Ich weiß bereits, dass Avenius jemand anderem gestanden hatte, er sei auf einen Skandal gestoßen. Er war sehr betrunken, also vermute ich, dass dieses Gespräch bei einem Becher Wein – oder mehreren – in der Popina stattgefunden hat, wo Sie arbeiten. Ich nehme an, Sie haben das mitgekriegt?«
Der junge Philomelus schluckte, stimmte aber weder zu, noch stritt er es ab.
»Der Mann, dem er sich anvertraute, war Turius. Er hat es uns selbst gesagt.« Philomelus sah erleichtert aus. »Sie haben also demnach Avenius sagen hören, Philomelus, dass Chrysippus ihn dafür bezahlte, den Mund zu halten?«
Philomelus hatte
Weitere Kostenlose Bücher