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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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Vater mir noch nach seinem Tod bescherte, tat weh.
    »Die Stiftung wird Ihnen den Pflichtteil natürlich überweisen, das habe ich schon abgesprochen. Und er wird immer noch ganz ordentlich ausfallen«, fuhr Dinklage fort. Ich antwortete nicht. »Sie werden das Testament doch nicht etwa anfechten?«, rückte der Anwalt endlich mit der Sprache raus.
    Plötzlich kratzte der Rauch in meiner Lunge, sodass ich husten musste. Auf die Idee war ich noch gar nicht gekommen. Dinklage klopfte mir auf den Rücken. Das Testament anfechten? Was für eine glänzende Idee!
    »Ich möchte mir diese Stiftung mal genauer ansehen«, hörte ich mich mit vom Hustenreiz geschwächter Stimme sagen. »Danach werde ich mich mit meiner Rechtsanwältin beraten. Dafür haben Sie doch sicher Verständnis.« Dinklage nickte und nötigte mir zum Abschied seinen Händedruck auf. Ich drückte meine Kippe in der Zigarettenschachtel aus und machte, dass ich rauskam. Bevor irgendein Justizwachtmeister mich erwischte und wegen verbotenen Rauchens festnahm. In Bremen musste man mit allem rechnen.
    Im Büro recherchierte ich sofort, was das für eine Stiftung war, der mein Vater sein gesamtes Vermögen hinterlassen hatte.
    Wer bringt unser Land weiter? Germanisten und Philosophen? ODER Ingenieure und Naturwissenschaftler? Der Slogan auf der Homepage der Stiftung flimmerte in roter Schrift auf schwarzem Grund. Wie eine Drohung. Klar, dass mein Vater solchen Leuten sein Geld vermacht hatte. Und nicht seiner geistig minderbemittelten Tochter, die glaubte, der Dreisatz sei eine Art Kreuzstich für Fortgeschrittene.
    Ich musste unbedingt nach Hamburg fahren, um herauszufinden, was das für Typen waren. Wahrscheinlich ein paar weltfremde Nerds mit Hornbrillen und karierten Hochwasserhosen, deren Kontakt zum weiblichen Geschlecht sich auf den wöchentlichen Anruf bei Mutti beschränkte.
    Dem provokanten Spruch zum Trotz, lasen sich die Ziele der Stiftung eigentlich ganz vernünftig, auch wenn ich das natürlich niemals öffentlich zugegeben hätte. Die Stiftung wollte das Image der Mathematik verbessern, Schülern die Angst vor diesem Schreckgespenst von Unterrichtsfach nehmen. Abiturienten sollten sogenannte MINT-Fächer studieren, also Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik.
    Der provokante Slogan hatte die Stiftung über Nacht bundesweit bekannt gemacht. Ein namhafter Volkswirt und Buchautor hatte sogar noch eins draufgesetzt: Er wollte Frauen, die MINT-Fächer studierten und Kinder bekamen, mit dreißigtausend Euro aus der Staatskasse belohnen. Eine Art Elite-Zuchtprämie also. Der Gesamtdeutsche Verband der Sprach- und Literaturwissenschaftler warf dem Volkswirt »intellektuelles Herrenmenschentum« und der Stiftung »eine unerträgliche Arroganz« vor. Hamburgs Bildungssenator – seines Zeichens Germanist – hatte den Mathefuzzis prompt den Zuschuss gestrichen. Die Gemeinnützigkeit sollte auf den Prüfstand und die Mathematiker sollten aus der Villa im feinen Harvestehude ausziehen, die der Stadt Hamburg gehörte. MMW kurz vor dem Ruin hatte das Hamburger Abendblatt erst vor zwei Monaten getitelt. Das Erbe meines Vaters war die Rettung für diese ominöse Stiftung.
    Na bitte, wenn das kein Mordmotiv war.
    *
    Die tägliche Polizeiroutine hielt für Harry keine besonderen Vorkommnisse bereit. Besoffene Touristen im Schnoor, die Passanten anpöbelten. Auffahrunfälle am Ostertor und am Osterdeich. Die obligatorischen Am-Steuer-mit-dem-Handy-Telefonierer. Mehr Papierkram als sonst was. Yüksel Yildirim, Tenges Partner, war überrascht, als Tenge sich anbot, die Schreibarbeiten alleine zu erledigen. »Hab heute nichts Besonderes mehr vor«, erklärte er seinen plötzlichen Arbeitseifer, »geh du mal nach Hause, das nächste Mal bist du wieder dran.«
    »Danke Harry, das nenne ich Freundschaft«, antworte Yildirim, sichtlich froh darüber, dass er heute mal etwas früher zu seiner Frau und seinem kleinen Sohn gehen konnte. Tenge sah ihm nach. Yüksel, eingefleischter Bremer wie er selbst, war seit knapp fünf Jahren sein Partner. Er mochte ihn und fuhr gern mit ihm auf Streife.
    Jetzt ließ sich Harry Zeit. Sehr viel Zeit. Jedes einzelne Protokoll formulierte er so sorgsam, als wollte er sich für den Bremer Literaturpreis bewerben. Er holte sich einen Kaffee aus dem Automaten. Später noch einen. Ging die Protokolle wieder und wieder durch. Feilte daran herum, bis wirklich jeder Satz saß.
    »Na, Harry, nachsitzen?«, lästerte Kollege

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