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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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sehr schwerer Verlust. Er hat fünfundzwanzig Jahre für unser Haus gearbeitet. Er wird uns sehr fehlen. Es wird sehr schwer sein, ihn zu ersetzen. Unser Mitgefühl gilt vor allem auch seinen Angehörigen. Ohne Simon Schröder würde unsere Zeitung heute nicht so ein Renommee genießen. Simon Schröder war es, der oft schneller war als die Konkurrenz und viele Skandale in dieser Stadt aufgedeckt hat. Natürlich eckte er manchmal an, oft sogar, nicht nur draußen, auch hier im Haus, auch bei mir persönlich. Er hatte beileibe nicht nur Freunde. Aber genau das schätzte ich an ihm, dass er kein weichgespülter, stromlinienförmiger Jasager war, sondern ein aufrechter, unerschrockener Journalist, der dem Weserblick  …« Ihre Stimme brach. Dr.   Carmen Schreiber, die als waschechte Hanseatin nicht gerade für Gefühlsausbrüche bekannt war, kämpfte mit den Tränen. Matze schluckte an dem Kloß in seinem Hals.
    Mit tränenerstickter Stimme fuhr die Verlegerin fort: »Sobald ich den Termin für die Beerdigung erfahre, werde ich Sie informieren. Die Ressortleiter bitte ich jetzt gleich zu mir ins Büro. Danke.«
    Die Verlegerin eilte davon, der Geschäftsführer und der Chefredakteur hatten Mühe, hinterherzukommen. Nur die Mitarbeiter machten keine Anstalten, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Die ganze Versammlung befand sich in Schockstarre.
    Plötzlich schwang die Drehtür zum Foyer auf. Alexandra Katzenstein. Abgehetzt und zerzaust. Matze flitzte los, rempelte in der Eile einen Kollegen an, entschuldigte sich, eilte weiter. Alexandra stand da, mit großen Augen, erstaunt über die Szenerie, die sich ihr bot.
    Matze fasste sie am Arm.
    »Was ist denn hier … Lass mich!«, protestierte sie.
    »Komm, Alexandra, komm mal mit!«
    »Ey, was ist denn?« Meine Güte, dachte Matze. Musste diese Frau wirklich immer rumzicken? Er bugsierte sie unsanft in einen leer stehenden Konferenzraum. Der Kaffee, den sie sich aus dem Automaten gezogen hatte, schwappte gefährlich in ihrem Pappbecher.
    »Sag mal, was ist denn da im Foyer los? Ist der Dritte Weltkrieg ausgebrochen oder was?« Endlich stellte Alexandra den Becher auf den Konferenztisch.
    »Alexandra, es tut mir leid, aber … Simon … ist tot.«
    »Was?« Alexandra sah ihn an, als hätte er sie geohrfeigt.
    »Simon Schröder hat sich umgebracht. Erschossen. Sie haben es uns eben mitgeteilt. Verstehst du, Alexandra?«
    »Spinnst du?« Alexandra wurde bleich.
    »Leider nein. Es ist die Wahrheit.«
    »Sag, dass das nicht wahr ist, Matze, sag es, verdammt!« Ihre Unterlippe bebte.
    »Es ist aber wahr. Simon Schröder hat sich das Leben genommen.«
    Plötzlich trommelte Alexandra mit beiden Händen gegen seine Brust. Das zarte Vögelchen hatte einen verdammt harten Schlag. »SAG, DASS DAS NICHT WAHR IST!!!«, heulte sie.
    »Es ist wahr, Alexandra, leider, wir sind alle ziemlich …« Matze packte ihre Handgelenke und hielt sie fest. Alexandra atmete schwer.
    Nach einer Weile hauchte sie: »Ist gut Matze, du kannst mich loslassen.«
    »Ja? ’tschuldige bitte.«
    »Okay.«
    Und dann hing sie plötzlich an seinem Hals und schluchzte.
    Er zögerte zunächst, dann umarmte er sie, streichelte ihren Rücken. Unter anderen Umständen hätte er es genossen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Alexandra wieder beruhigt hatte. Wortlos löste sie sich aus seiner Umarmung und stakste wie in Trance zu dem Wasserspender, der in einer Ecke des Raumes stand, zog einen Pappbecher aus der Halterung, füllte ihn und setzte sich still neben Matze. Ihren Kaffee ließ sie auf dem Tisch stehen. Sie trank einen Schluck Wasser, stierte vor sich hin. Matze holte sich ebenfalls ein Wasser und nahm wieder neben ihr Platz.
    »Wusstest du, dass ich Simon seit über zwanzig Jahren kannte? Er hat mir damals eine Chance gegeben, obwohl ich kein Abi hatte. Ihm habe ich mein Volontariat zu verdanken. Ihm habe ich alles zu verdanken. Verstehst du? Alles. Ohne Simon Schröder würde ich heute bei Aldi an der Kasse sitzen. Wenn überhaupt. Vielleicht wäre ich in der Gosse gelandet, auf dem Strich in der Helenenstraße.
    Matze schüttelte matt den Kopf. »Nee, das wusste ich gar nich.«
    »Wo warst du heute Morgen eigentlich?«, fragte Matze um abzulenken.
    Tatsächlich hörte Alexandra auf zu weinen, straffte ihre Haltung ein wenig. »Jemand ist am Wochenende in die Villa meines Vaters eingebrochen. Zuerst wollte ich nicht zur Polizei, hab es mir dann aber heute Morgen anders überlegt.«
    »Ach.«

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