Tod Eines Senators
lief nicht mehr zu Paccius’ Gunsten – obwohl alles weiterhin eindeutig gegen Vögelchen lief. Er hatte keine Freunde. Ich hatte ihn heute begleitet, aber nur um ein Kopfgeld dafür einzustreichen, dass ich ihn hergebracht hatte.
Die Anhörung war zu Ende. Paccius blieb noch, um weiter mit dem Magistrat zu reden. Ich will nicht behaupten, dass sie auf Negrinus’ Kosten zusammen lachen und etwas trinken wollten – aber uns folgte ein abgestandener Geruch stillschweigender Übereinkunft durch die blitzblanken Marmorkorridore, während ich den Angeklagten auf unserem trübsinnigen Weg nach draußen vor mir herschob.
»Es ist noch nicht vorbei, Mann …«
»O ja, ist es doch.« Pure Resignation erfüllte seine Stimme, obwohl er auf andere Weise still war als gestern Abend oder heute Morgen. »Die Sache ist vor langer, langer Zeit gegen mich entschieden worden, Falco.«
Er würde das nicht weiter erklären, das konnte ich erkennen.
»Hören Sie, Vögelchen, gehen Sie nach Hause …«
Ich unterbrach mich. Er schaute mich an und stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Nein, bestimmt nicht.«
Ich seufzte. »Nein.«
Zu Hause war dort, wo jemand mit fast eindeutiger Sicherheit seinen Vater umgebracht hatte, obwohl ich, während wir auf der Türschwelle des Prätors standen, zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass das Verbrechen möglicherweise nicht von diesem kraftlosen Sohn begangen worden war. Zu Hause war dort, wo seine Mutter war, die sich das Verbrechen ausgedacht hatte, aber beabsichtigte, ihn dafür verurteilen zu lassen.
Mir blieb jetzt keine andere Wahl. Negrinus hatte alle Hoffnung verloren – und er konnte nirgends hin. Ich nahm ihn wieder mit zu mir heim. Während wir dorthin gingen, überkam mich das erdrückende Gefühl, in einen bodenlosen schwarzen Tümpel im entlegenen Ödland der Pontinischen Sümpfe gezogen zu werden.
Doch das war vermutlich nichts im Vergleich zu der Stimmung des Mannes neben mir.
XVIII
Die Camillus-Brüder verfügten über wenig Expertenwissen, zeigten aber Geschick im Umgang mit Negrinus – sie wurden zu Kumpeln, obwohl sie ihn auf mein Geheiß nicht vollkommen betrunken machten. Wir wollten, dass er noch reden konnte. Die beiden nahmen ihn mit hinauf auf meine Dachterrasse, wo die Nachtluft extrem kalt wurde. Sie fingen langsam mit dem Trinken an, plauderten über nichts Bestimmtes, als wäre die Tagesarbeit erledigt. Da sie zu zweit waren, fiel es ihnen leicht, ihn mehr bechern zu lassen als sie und gleichzeitig so zu tun, als tränken sie genauso viel. Als er noch einigermaßen nüchtern war, beschlossen sie, es sei zu kalt, und tappten hinunter in den Salon, wo qualmende Kohlebecken einen schönen warmen Mief erzeugt hatten.
Negrinus wurde schläfrig. Justinus war sogar eingeschlafen, als ich mich ihnen anschloss. Wir lümmelten alle mehr oder weniger herum, wobei die Weinbecher auf dem Tisch fast unbenutzt blieben. Ich hatte eine Schriftrolle dabei, gab aber gar nicht erst vor, darin zu lesen. Aelianus benutzte ein weiches Kissen für die endlose Jagd auf eine kleine Motte, letztlich erfolglos, weil er sich nicht aufraffen konnte, den Hintern von seiner Liege zu heben.
Es war so still, dass man die Holzkohle in den Becken knacken hörte. Irgendwo in der Ferne weinte die kleine Favonia. Ich weckte Justinus mit einem Tritt. »Wie geht’s Claudia, Quintus?« Für Negrinus fügte ich hinzu: »Seine Frau ist kurz vor der Niederkunft.«
»Ist noch nichts passiert«, antwortete Justinus steif. »Sie hat die Schnauze voll. Ich bin nervös … Ist Ihres schon geboren, Vögelchen?«
Negrinus schüttelte den Kopf. »Ich glaub nicht. Ich nehme an, jemand würde mir Bescheid sagen.«
»Jemand würde Unterhaltszahlungen von Ihnen fordern«, versicherte ihm Justinus.
»Der liebe Quintus ist noch nicht mal Vater«, staunte sein Bruder träge und schlug wieder nach seiner Motte, »aber die Regeln hat er schon gelernt … Sie haben einen Stiefsohn, oder, Vögelchen? Glauben Sie, Ihre beiden werden mit ihm auskommen?«
»Natürlich werden sie das«, unterbrach Justinus. »Schließlich sind ihre Väter dick befreundet.«
Wie wir gehofft hatten, war Negrinus bereit, mehr zu sagen als gewöhnlich. Er saß auf seiner Liege, die Füße von sich gestreckt, starrte auf seine Schuhe und erforschte sein Gewissen. »Ich liebe meine Tochter, und ich werde das Neue auch lieben. Sie sind meine Kinder … sie können nichts dafür.«
Wir murmelten alle etwas
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