Tod eines Tenors
zog ihn beiseite.
»Ich glaube, wir sollten Mrs. Llewellyn nachgehen und ihr sagen, dass wir ihre Tochter sprechen möchten«, sagte er.
15. KAPITEL
»Haben Sie es also endlich geschafft, sich loszueisen, Constable Evans«, begrüßte ihn Roberts-der-Tankwart, als sie sich an diesem Abend auf dem Parkplatz des Eisteddfod trafen. »Wir dachten schon, wir müssten ohne Sie singen.«
»Ja, man war gnädig und hat mir für den Abend freigegeben«, sagte Evan.
Die Chormitglieder wirkten in ihren schwarzen Sonntagsanzügen und den gestärkten Hemdkrägen wie ein Haufen großer Schuljungs, dachte Evan.
»Die Journalistenmeute ist kleiner geworden«, berichtete er. »Sie haben das Interesse verloren, als sie nicht mit Mrs. Llewellyn sprechen oder einen Blick ins Haus werfen durften. Jetzt sind nur noch ein oder zwei Sturköpfe da und zelten. Der Rest ist in Caernarfon und belästigt den Inspektor.«
»Es stimmt also, was man so hört, bach Evan?« Charlie Hopkins trat näher an Evan heran.
»Irgendwer hat ihm tatsächlich eins über den Schädel gegeben?«
»Es sieht so aus, Charlie«, antwortete Evan. »Es ist noch nicht offiziell, deshalb kann ich nicht mehr sagen.«
»Wir haben sie am Flussufer und auf den Feldern herumstöbern sehen«, sagte Harry-der-Pub mit aufgeregter Stimme. »Suchen sie die Mordwaffe?«
»Möglich«, sagte Evan. »Ich bin nur der Dorfpolizist. Sie lassen mich an ihren Ermittlungen nicht teilnehmen.«
»Ach komm schon!« Evans-der-Fleischer stieß ihm kräftig in die Rippen. »Du und der Sergeant haltet doch zusammen wie Pech und Schwefel. Jedermann weiß, dass sie das Verbrechen ohne dich nicht aufklären könnten, deshalb ziehen sie dich heimlich hinzu.«
»Das stimmt nicht«, sagte Evan unbehaglich.
»Sie können keine Spur haben, sonst hätten sie dich niemals singen gehen lassen«, sagte Evans-der-Fleischer bestimmt. »Charlies Frau vermutet, dass es dieser Mafiatyp war. Hat die Polizei den schon gefunden?«
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Evan. »Sie ermitteln noch.«
»Ermitteln noch!«, prustete Evans-der-Fleischer. »Das sagen sie immer, wenn sie mal wieder versagt haben und der Verdächtige verschwunden ist.«
Evan fand es höchste Zeit, das Thema zu wechseln. Er sah sich um. »Wo ist denn Mostyn?«
»Wir treffen ihn vermutlich im Zelt. Er wollte sich die anderen Aufführungen anhören«, antwortete Evans-der-Fleischer. »Er ist doch wirklich ein Masochist!« Er brach ab und lauschte. Neben anderen Klängen und Geräuschen wehte der Wind die Melodie von Men of Harlech, gesungen von einem Männerchor, zu ihnen herüber. »Das Lied hat er inzwischen wahrscheinlich schon hundertmal gehört.«
Evan lächelte. »Er liebt eben die Musik.«
»Liebt die Musik? Er lebt dafür!«, verbesserte Evans-der-Milchmann.
»Es ist sehr anständig von ihm, heute Abend mit uns aufzutreten«, sagte Evan und hatte dabei Mostyns aschfahles Gesicht vor sich. »Er weiß genau, dass wir ohne Ifor nicht so gut sind wie die anderen Chöre.«
Dann verließen sie das platt getretene Gras des Parkplatzes und gingen auf den Teilnehmereingang des Festivalgeländes zu. Eine kräftige, salzige Brise vom Meer ließ die Fahnen und Wimpel flattern.
Zahlreiche Essensstände verbreiteten die köstlichsten Düfte. Bratwürste und gebratene Zwiebeln, Fisch und Chips, aber auch Exotischeres, wie Curryhühnchen, und Süßes, wie Donuts, kandierte Äpfel und Zuckerwatte wetteiferten darum, hungrige Besucher anzulocken. Natürlich gab es auch Stände mit original walisischen Spezialitäten: Lammeintopf, gegrillte Lammkoteletts, mit Seetang gebackenes Brot, Austern, Krabbensandwiches und Backspezialitäten, wie walisische Kuchen und bara brith, ein Früchtebrot.
Evan wurde schmerzhaft daran erinnert, dass er seit Wochen keine einzige anständige Mahlzeit gehabt und auch heute noch überhaupt nichts Vernünftiges gegessen hatte. Nach ihrem Auftritt würde er sich eine ordentliche Portion Fisch und Chips einverleiben - und ein schönes, großes Bier.
16. KAPITEL
»Endlich ist er da«, hörte Evan es in der Dunkelheit flüstern, als er hinter der Bühne zu seinem Chor stieß. »Mostyn, wie geht es Ihnen?«
»Ich weiß nicht, ob ich das alles durchstehe«, sagte Mostyn. »Es war ein großer Schock für mich. Ich weiß wirklich nicht...«
»Sie machen das schon, Austin-Mostyn«, beschwichtigte ihn Evans- der-Fleischer und legte dem zerbrechlichen Chorleiter eine seiner riesigen Hände auf die Schulter.
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