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Tod eines Tenors

Tod eines Tenors

Titel: Tod eines Tenors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhys Bowen
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»Wir gehen da jetzt raus und liefern eine Eins-A-Aufführung als Tribut an unseren alten Freund Ifor ab. Stimmt's, Männer?«
    Evan fand nicht, dass die Antwort sonderlich begeistert klang.
    »Aber was sollen wir denn singen?«, fragte der junge Billy Hopkins nervös. »Ifor hat doch die ganzen Solos gesungen. Die können wir doch nicht einfach auslassen und nur summen.«
    »Wir müssen wahrscheinlich auf unser altes Programm zurückgreifen, oder?«, erkundigte sich Roberts-der-Tankwart.
    »Nein, wir bleiben bei den Liedern, die wir geprobt haben«, sagte Mostyn, als koste ihn jedes einzelne Wort unendliche Mühe. »Ich übernehme die Solos selbst.«
    Er strich über seinen Taktstock und bedeutete ihnen, ihm auf die Bühne zu folgen.

    Evan spürte die Nervosität um sich herum, auch er selbst war angespannter als gewohnt. Er wünschte, sie hätten die Aufführung abgesagt. Wenn er nicht hier gewesen wäre, hätte er nie erfahren, dass Maggie Pole in Nordwales war. Er fühlte sich noch immer bedrückt und wie unter Schock. Er konnte sie so deutlich vor sich sehen - das Temperament, wilde schwarze Locken, große dunkle Augen, Reden wie ein Buch - war es möglich, dass er noch immer etwas für sie empfand? Nach all der Zeit und nach allem, was geschehen war?
    Blödsinn, sagte er sich. Er würde sich mit ihr auf ein schnelles Bier treffen und morgen Bronwen die ganze Geschichte erzählen. Das hätte er schon viel früher tun sollen. Es war falsch gewesen, dass sie ihre Vergangenheit so lange voreinander verborgen hatten.
    Der Chor, der vor ihnen dran war, beendete sein Programm mit einer mitreißenden Fassung von All Through the Night.
    »Und nun, annwyl gyffeillion, liebe Freunde«, dröhnte die Stimme des Ansagers durch das riesige Zelt, »der Cor Meibion von Llanfair unter der Leitung von Mr. Mostyn Phillips.«
    Sie verteilten sich mit am Kopf klebenden Haaren und schweißnassen Gesichtern auf der Bühne.
    Evan nahm seinen Platz in der letzten Reihe ein. Mostyn hob den Taktstock, und sie begannen zu singen.
    Sie eröffneten wie geplant mit dem Trinkerlied aus La Traviata. Ihre Stimmen klangen voll und klar durch das gut besetzte Festzelt. Evan fand, dass sie noch nie so gut gewesen waren. Dann setzte Mostyns Solo ein. Er hatte ihnen bei den Proben schon einmal etwas vorgesungen, um ihnen zu zeigen, was er meinte, aber noch nie hatte Evan seine volle Stimme gehört. Offenbar ebenso wenig wie die anderen Chormitglieder. Sie vergaßen, dass sie immer schön nach vorne gucken sollten, warfen sich stattdessen Blicke zu und stießen einander bedeutungsvoll an. Mostyn hatte eine wunderbare Stimme -
    nicht so kräftig und gut wie Ifors, aber ein heller, weicher Tenor.
    Erstaunt schoss Evan der Gedanke durch den Kopf, dass sie es vielleicht trotz allem ins Finale schaffen könnten! Plötzlich hörte Mostyn einfach auf zu singen.
    »Es tut mir Leid«, sprach er zu Chor und Publikum gleichermaßen. »Es geht nicht, ich kann das nicht. Ein großartiger Mann sollte dieses Solo singen ... aber er wurde weit vor der Zeit abberufen. Es war töricht von mir zu glauben, jemals in seine Fußstapfen treten zu können. Bitte verzeihen Sie uns ...«
    Er floh hinter die Kulissen und ließ den Chor auf der Bühne alleine zurück, ebenso wie das raunende Publikum.
    Der Ansager eilte ans Mikrofon und erläuterte die Einzelheiten der Tragödie. »Wir haben Verständnis dafür, was Mr. Phillips und sein Chor derzeit durchmachen. Sie haben unsere tiefste Anteilnahme. Die Musikwelt und besonders Wales haben einen ihrer bedeutendsten Stars verloren.«
    Evan folgte seinen Chorkameraden hinaus. Die Sonne war untergegangen, und aus den Zelten und Buden drangen Lichter. Der Klang süßer Kinderlieder, von Harfen und Flöten im Verbund mit den flackernden Feuern und flatternden Fahnen verliehen der gesamten Szenerie etwas Mittelalterliches, was dem Gefühl der Unwirklichkeit entsprach, das Evan empfand.
    Er hatte Sergeant Watkins nicht mehr gesehen, bis dieser jetzt seinen Arm ergriff. »Zu schade«, sagte er, »ich hätte Sie so gerne singen hören.«
    »Was machen Sie denn hier, Sarge?«, fragte Evan und zwang sich, in die Realität zurückzukehren.
    »Ich habe Sie gesucht. Dachte, es würde Sie interessieren, dass seine Frau gestanden hat. Sie ist gerade beim Inspektor in Caernarfon.«
    Evan blieb wie angewurzelt stehen. »Mrs. Llewellyn? Sie hat den Mord gestanden?«
    Watkins nickte. »Sie ist in Caernarfon aufgetaucht, völlig ungerührt. >Ich

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