Tod für Don Juan
scharf an. «Ich weiß, daß du ziemlich
ausgelastet bist, alter Junge, aber ich an deiner Stelle würde dieses Gespräch
nicht auf die lange Bank schieben.»
Morse nickte. «So sehe ich das
auch. Jetzt verrat mir bitte nur eins: Glaubst du, daß er nackt war, als er
ermordet wurde?»
«Auf die Gefahr hin, mich zu
wiederholen: Kann ich nicht sagen.»
«So oft ist der Mensch
schließlich nicht unbekleidet.»
«Ach, ich weiß nicht... Beim
Baden etwa. Auf der Waage. An spanischen Stränden, wie man hört...»
«Bei der Liebe», fügte Morse
nachdenklich hinzu. «Vielleicht kein spitzer Zweig, sondern der Fingernagel
einer Frau.»
«Weniger wahrscheinlich.»
«Du hast dich auch schon mal
geirrt.»
«Nicht so häufig wie du,
Morse.»
«Wir werden ja sehen.»
Max grinste. «Bin bloß froh,
daß du noch auf die Sache mit der Liebe gekommen bist. Hatte schon den
Verdacht, du wärst auf dieses Thema nicht mehr ansprechbar.»
«Nein, Max, keine Bange. Soweit
ist es noch nicht.»
Als Chief Inspector Morse die
Pathologie verließ, lag ein leises Lächeln der Zuversicht um seine Lippen.
29
Gibt
verdammt viele Trinker heutzutage. Würde mich gar nicht wundern, wenn du selber
einer wärst.
(Martin
Amis, Other
People)
Edward Stratton war der einzige
Teilnehmer der ursprünglichen Reisegruppe — von seiner Frau abgesehen —, der sich
vormittags die Ausführungen des Chief Inspector nicht angehört hatte. Trotz
seines Brummschädels meinte er so weit wiederhergestellt zu sein, daß er es
riskieren konnte, sich das Frühstück aufs Zimmer zu bestellen, und sah sich so
morgens um sieben einem kompletten Englischen Frühstück gegenübersah — mit
fürchterlichen Folgen, an die er sich hinterher zum Glück nur noch schemenhaft
erinnerte.
Edward Stratton hatte sich
schon immer für Maschinen interessiert, für «Sachen, die sich bewegen», wie er
zu sagen pflegte. Als Schuljunge hatte er erst Modellflugzeuge aus dem Ersten
Weltkrieg und dann elektrische Eisenbahnen gebastelt und festgestellt, daß der
Zusammenbau von Kolben, Ventilen und Rädern, ihre Justierung und Schmierung
genau die richtige Beschäftigung für seinen Kopf und seine Hände war. Er hatte
— zum Heiraten war er nie gekommen — eine kleine Firma für
landwirtschaftliche Spezialgeräte gegründet, mit der er 1975 pleite gegangen
war. Nach einer langen Durststrecke und kurzer Einarbeitung hatte er einen
neuen Beruf ergriffen, der ebenfalls erhebliches manuelles Geschick erforderte:
Er war Leichenbestatter geworden — wahrlich eine gewaltige Umstellung. Bald
aber beherrschte Stratton sein gruseliges und zuweilen auch abstoßendes Metier
geradezu meisterhaft. Bei der Vorbereitung eines bejahrten Philanthropen für
seine mit Seide ausgeschlagene letzte Ruhestätte hatte er dessen untröstliche
Witwe Laura kennengelernt und sie ein Jahr später geheiratet. Oder sie ihn. Für
sie, vielleicht aber auch für ihn war es eine Zweckehe gewesen. Damals war er
davon ausgegangen, daß sie Geld hatte, Genaueres über ihre
Vermögensverhältnisse aber wußte er bis heute nicht.
Strattons Gedanken kreisten
ausschließlich um das Wolvercote-Kleinod, als er an jenem Samstag vormittag,
den Kopf zwischen den Händen, auf dem ungemachten Bett saß. Daß das gute Stück
versichert, und zwar gut versichert war, wußte er, aber zu welchen Bedingungen
und unter welchen Voraussetzungen — darüber tappte er total im dunkeln. Hätte
doch Shirley Brown vorhin, als sie kurz nach ihm gesehen hatte, nur nicht davon
angefangen! Die Saat des Zweifels, die sie gelegt hatte, begann schon
aufzugehen. Wäre die Lage anders, wenn jemand behaupten könnte, Laura sei
gestorben, ehe der Dorn gestohlen worden war? Würde das Geld dann ans Ashmolean
Museum gehen? Beweisen ließ sich das nicht mehr, und wenn der Tod danach
eingetreten war, gehörte doch das Geld bestimmt zum Nachlaß. Stratton
schüttelte den schmerzenden Kopf. Er fand sich nicht mehr zurecht, und je länger
er überlegte, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken. Wenn er die Polizei
davon überzeugen konnte, daß der Diebstahl hinterher... denn dann befand sich
ja das Wertstück bei Lauras Tod noch in ihrem Besitz... Oder...
Ogottogottogott!
Stratton stand auf und ging ins
Badezimmer. Ein kräftiges Klopfen ließ ihn zusammenfahren, als er gerade den
schmerzenden Schädel in kaltes Wasser tauchte. Er ging zur Tür und ließ Chief
Inspector Morse und Sergeant Lewis ein.
Ersterer hatte ihm mit
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