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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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die Beziehung zwischen der
schrillen Janet Roscoe und ihrem früheren Partner merklich abgekühlt war,
nachdem er sich (wie die meisten Mitreisenden) geweigert hatte, ihre penetrante
Beschwerde über Sheila Williams zu unterschreiben. Phil war zwar ihr, Nancy,
gegenüber etwas zurückhaltend, aber das war eben so seine Art, sagte sie sich.
Sie war gern mit diesem kleinen, drahtigen Mann aus Sacramento zusammen, der
eine so sanfte Stimme hatte und sich immer als letzter in eine Schlange
einreihte. Ja, das allgemeine Stimmungstief war offenbar überwunden, erst
gestern hatte Nancy ihrer Tochter auf einer Karte mitteilen können, ungeachtet
eines Todesfalls, eines Diebstahls und eines Mordes auf dieser Tour habe sie
schon «ein paar sehr nette Leute» kennengelernt.
    Für Phils Geschmack allerdings
war Nancy etwas zu überschwenglich, er hätte paradoxerweise lieber vorn neben
Janet gesessen, während er Ashendens einführenden Bemerkungen über Bath
lauschte (und sie akustisch auch fast vollständig mitbekam).
    «Im 18. Jahrhundert wurde Bath
zum Treffpunkt der englischen High Society. Untrennbar mit der Geschichte der
Stadt verbunden ist der große Dandy und Glücksspieler Beau Nash, der in den
vierziger und fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts hier lebte. Zu den
zahlreichen literarischen Größen, an die man im Zusammenhang mit Bath gern
denkt, gehören etwa Henry Fielding, Fanny Burney, Jane Austen, William
Wordsworth, Walter Scott, Charles Dickens und als wohl berühmtester unter ihnen
Geoffrey Chaucer mit The Wife of Bath’s Tale aus den
Canterbury-Geschichten.»
    Es war ein effektvoller
Abschluß.
    Ashenden sah Janet Roscoe
wieder einmal in ihrer unerschöpflichen Tasche kramen. Sie holte ein schmales
Bändchen hervor, dessen Titel unmöglich zu übersehen war. Aber auch ohne ihn zu
sehen, hätte er erraten, was für ein Werk es war: CHAUCER, TALE OF THE WYF OF
BATHE.
    Er lächelte ihr zu, und während
sie den Prolog aufschlug, gab sie sein Lächeln ungewohnt freundlich zurück.
    Ein gutes Omen für den
Aufenthalt in Bath, so schien es.
    Doch hin und wieder trügt der
Schein.
     
     
     

50
     
    Wenn
er im Alter in Stinsford war, besuchte er oft das namenlose Grab von Louisa
Harding. (Florence Emily Hardy, The Early Life of Thomas Hardy)
     
    Das Krankenhausbulletin
bezeichnete am Montag nachmittag Lucy Downes’ Zustand als «ohne besondere
Beschwerden» — eine Stufe besser als das «zufriedenstellend» vom Sonntag und
zwei Stufen besser als das vorausgegangene «stabil». Zu dieser Besserung hatten
sicher auch die drei Besuche ihres Mannes beigetragen (der erste in den frühen
Morgenstunden des Sonntags, zwei Stunden nach seiner Entlassung aus der Haft).
Allerdings war es unterdessen zu leichten Komplikationen gekommen (eine innere
Blutung, die man noch nicht hatte zum Stillstand bringen können), außerdem war
der Patientin inzwischen schmerzlich bewußt geworden, wie sie aussah, wenn sie
lächelte, weshalb sie es neuerdings ganz unterließ, Besucher (einschließlich
Cedric) anzulächeln, und als sie, mittlerweile mit erheblichen Schmerzen im Arm,
an jenem Tag im Bett lag, überlegte sie, daß ihr zwei gebrochene Rippen allemal
lieber gewesen wären als zwei ausgeschlagene Zähne.
    Es ist alles ganz eitel,
spricht der Prediger. Und man kann durchaus die Meinung vertreten, daß ihr
Zustand mit «zufriedenstellend» weitaus zu positiv eingestuft war. Doch
ebendieses Wort benutzte Morse, als Lewis sich am Dienstag um halb neun
zuallererst nach Lucy Downes erkundigte. Möglich, daß Morse bei der Frage
seines Sergeant ein wenig gelächelt hatte; ganz sicher aber war das nicht.
    Die beiden Tage nach Cedric
Downes’ Haftentlassung konnten nicht gerade als Beispiel maximal abgestimmter
kollegialer Zusammenarbeit gelten. Morse hatte am Sonntag bis zum späten
Nachmittag geschlafen und den Montag im Büro damit vertrödelt, mißgelaunt in
den Unterlagen über den Fall herumzulesen. Lewis hingegen hatte, nachdem er am
Sonntag nachmittag einen seiner Meinung nach wichtigen Beitrag zur Lösung des
Falls geleistet hatte, den ganzen Montag verschlafen. Als er abends um halb
sieben von Mrs. Lewis sanft wachgerüttelt worden war, die ihm verheißungsvoll
etwas von Setzei und Pommes frites ins Ohr flüsterte, hatte er sich nur auf die
andere Seite gedreht und friedlich weitergeschlummert. Dafür war er jetzt
wieder ganz da.
    Seinem Vorgesetzten schien die
Erholungsphase weniger gebracht zu haben, denn seine Stimme klang

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