Tod für Don Juan
daß im Falle eines
Diebstahls — gleichgültig, ob vor oder nach ihrem Tod — die Versicherungssumme
an ihren Mann und nicht etwa an irgendeine gemeinnützige Stiftung geht. So
jedenfalls sah — oder sieht — es Eddie Stratton, der inzwischen wieder in den
Vereinigten Staaten ist und es mir selbst bestätigt hat.» Morse machte eine
kleine Pause und ließ den Blick langsam über die Zuhörer wandern. «Daß dies
eine große Versuchung für Mr. Stratton war, der praktisch über keine eigenen
Mittel verfügte und überdies wußte, daß seine Frau das von ihrem ersten Mann
geerbte beträchtliche Vermögen schon fast ganz durchgebracht hatte, brauche ich
kaum besonders hervorzuheben.»
Einige seiner Zuhörer ließen
schmerzliches Befremden und Bestürzung erkennen, als einzige aber äußerte Janet
Roscoe sich laut.
«Das ist doch nicht möglich,
Inspector. Eddie war gar nicht im Haus, als —»
Morse hob die rechte Hand.
«Bitte lassen Sie mich ausreden, Mrs. Roscoe», sagte er mit leiser Schärfe in
der Stimme. «Der Zeitpunkt des Diebstahls ließ sich leicht einkreisen, und es
kostete auch nicht allzuviel Mühe festzustellen, wo sich die Mitglieder Ihrer
Gruppe in den entscheidenden fünfundvierzig Minuten aufgehalten hatten. Nicht
alle haben mir dabei reinen Wein eingeschenkt, aber... nun, lassen wir das. So
wie ich es sah — und noch sehe —, mußte den Diebstahl jemand aus Ihrem Kreis
begangen haben, ein Mitglied der Reisegruppe, der Reiseleiter (wieder ruckten
die Köpfe herum) oder Mitarbeiter des Randolph. Die letzte Möglichkeit
konnte sehr schnell ausgeschlossen werden. Sie sehen also, worauf ich abziele,
meine Damen und Herren...
Die unmittelbaren Auswirkungen
des Diebstahls traten sowohl durch den Tod von Laura Stratton als auch durch
die Ermordung Dr. Kemps, dem das Schmuckstück in einer offiziellen Feierstunde
im Ashmolean übergeben werden sollte, zunächst in den Hintergrund. Nun gehört
es zu den Aufgaben der Polizei — insbesondere der Kriminalpolizei —, bei einem
Verbrechen nach bestimmten Mustern zu suchen, und in diesem Fall fiel es
Sergeant Lewis und mir schwer zu glauben, daß es keine Querverbindung zwischen
diesen beiden Vorfällen geben sollte. Die zeitliche Übereinstimmung konnte
natürlich Zufall sein, aber eine Verbindung gab es ja schon. Diese
Verbindung war Dr. Kemp. Ihn hatte der Diebstahl um ein 1873 im Fluß unter der
Wolvercote-Brücke gefundenes Kleinod gebracht, das er persönlich bei einem
amerikanischen Sammler aufgespürt und in zähen Verhandlungen seinem Museum
gesichert hatte, das — mit seinem Gegenstück vereint — erhebliches historisches
Interesse geweckt und ihm, Kemp, kurzfristig einigen Ruhm und langfristig
vielleicht eine Beförderung gebracht hätte. Ein Foto der kompletten
Gürtelschnalle sollte den Umschlag seines in Kürze erscheinenden Buches zieren.
Und dann wird tags darauf Kemp ermordet. Das gibt zu denken, nicht wahr? Ferner
stellte ich mir die Frage, ob für den Diebstahl und den Mord nicht vielleicht
ein und dieselbe Person verantwortlich war, so daß ich möglicherweise statt
nach zwei Tätern nur nach einem zu suchen brauchte. Aber ich brauchte auch
Beweise — und dachte deshalb noch ein bißchen weiter in diese Richtung. Und die
Richtung stimmte! Beide Verbrechen trafen Kemp ganz persönlich. Durch das erste
verlor er etwas, woran er sein Herz gehängt hatte, durch das zweite verlor er
das Leben. Warum gerade Kemp? fragte ich mich. Das heißt — zunächst stellte ich
mir diese Frage nicht, denn ich kam zu dem bedauerlicherweise falschen Schluß,
daß es eine Verbindung zwischen diesen beiden Verbrechen nicht geben konnte.
Wenden wir uns nun Kemp selbst
zu. Bekanntlich erfährt man bei Mordermittlungen über die Person des Mörders
häufig mehr durch das Opfer als aus anderen Quellen. Was wissen wir von dem
Opfer, von Dr. Kemp? Er war Abteilungsleiter im Ashmolean Museum, ein in
Kleidung und Umgangsformen etwas extravaganter Mensch, ein Frauenheld, ja, wie
man hört, einer der größten Schürzenjäger von ganz Oxford. Ein von sich sehr
überzeugter, nur auf seinen eigenen Vorteil bedachter Mann. Doch hatte diese
Einstellung ihm offenbar nicht viel Glück gebracht. Die Universität hatte Kemp
durchschaut, Beförderungen ließen auf sich warten, die Ernennung zum Fellow
blieb aus, kinderlos teilte er mit seiner Frau eine recht bescheidene Wohnung
in North Oxford — und sein Leben wurde überschattet von einer großen
persönlichen
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