Tod im Albtal
Friederike zu sprechen kommen könnte.
Überraschenderweise fing er selbst davon an.
»Die Gegner, diese rückständigen Aktivisten, schrecken vor nichts zurück. Und ein Teil der Öffentlichkeit lässt sich von ihnen täuschen. Doch wer vernünftig ist, lässt sich vom Gedanken des Fortschritts überzeugen. Die Frau von Horst Schmied, unserem rührigen Ettlinger Politiker, hat bei einer Sitzung der ›Töchter des Albtals‹ ausdrücklich betont, wie wichtig die verkehrspolitische Erschließung unseres Tals ist –«
»Sie meinen Friederike Schmied?«, unterbrach ich ihn.
»Ja, genau die. Da hat sie mir ganz gut gefallen. Kam engagiert rüber. Ursprünglich war sie nämlich mit diesen anderen Betschwestern gegen den Ausbau. Aber jetzt schien sie mir vernünftig geworden zu sein. ›Wir könnten natürlich auch mit der Postkutsche nach Herrenalb fahren‹, hat sie gesagt, ›aber wir sind nicht dazu verpflichtet! Und wenn wir ein Paradies für Motorradfahrer schaffen, können wir unseres vielleicht erhalten.‹ Das war gut gesagt, zumindest für eine Frau.«
Er lachte selbstgerecht und fuhr fort: »Aber ihre Courage ist Frau Schmied wohl nicht bekommen. Ich habe gehört, sie ist gleich auf diese mutige Äußerung hin ermordet worden. Das lässt einen doch ins Grübeln kommen.«
»Sie meinen doch nicht …«
Jetzt sah er mich misstrauisch an. »Ich meine gar nichts, liebe, verehrte Frau Tobler. Finden Sie nicht, dass Sie zu nett ausschauen, um sich mit so trüben Themen zu beschäftigen? Das würde mir Ihr Mann nie verzeihen, wenn ich Ihnen hier mit solchen Problemen komme. Ich erlaube meiner Frau auch nicht, abends nach acht Uhr noch über die Schulsorgen der Kinder zu reden. Einmal muss Schluss sein. Sage ich.«
Das war derart platt, derart altmodisch und autoritär, dass mir eine Antwort zu schade war. Als was betrachtete er mich? Als einen Wertgegenstand aus dem Hause Tobler, den man pfleglich behandeln musste, wenn man ihn für eine Stunde auslieh?
Mein Aussehen hatte den Nachteil, dass mich die meisten Menschen erst mal für strohdumm hielten und es einige Zeit dauerte, bis sie merkten, dass sie sich getäuscht hatten. Im Fall der Ermittlungen in meinem ersten Mordfall konnte das von Vorteil sein. Also spielte ich meine Rolle weiter.
»Ich würde wirklich gerne wissen, wer das getan hat. Man ist als Frau heutzutage nicht mal in einem öffentlichen Geschäft sicher.« Ich zog die Schultern hoch und zitterte fröstelnd.
Tibor machte eine Reflexbewegung, als wollte er mir die Hand auf den Arm legen. »Das ist schlimm. Frauen sollten in unserem Land in Ruhe einkaufen gehen können. Ist doch ihre Lieblingsbeschäftigung, nicht wahr?« Er lachte.
Ich konnte nicht glauben, dass es in diesem Land noch solche Männer gab. Andererseits bediente ich mit meinem liebgewordenen Shoppingservice letztlich ihre Vorurteile.
Wir machten uns für sie zwar hübsch, aber nicht schlau. Weil das immer noch besser ankam und einen gut gelaunten Mann garantierte.
Tibor sprach weiter. »Ich kannte die Dame kaum. Habe sie nur mal irgendwo zusammen mit ihrem Mann gesehen. War nichts Besonderes.« Als er meinen eisigen Blick sah, korrigierte er sich rasch. »Zumindest nicht so speziell wie Sie. Wie heißt eigentlich das Parfüm, das Sie benutzen? Ich würde es gerne meiner Frau empfehlen.«
»Kate Spade!«, versetzte ich kühl. »Nur läppische neunundneunzig Dollar die Flasche! Fliegen Sie schnell mal rüber nach New York, und Sie können Ihrer Frau ein Fläschchen mitbringen. Das gibt es auch in Deutschland, aber da ist es geringfügig teurer. Ich kann Ihre Gattin gern anrufen und ihr den Namen und die Flaschengrößen durchgeben.«
Jetzt hatte er echte Angst in den Augen!
* * *
Szenen meiner Ehe:
»Was hast du heute gemacht?«
»Ich war in Bad Herrenalb.«
Natürlich fragte Nicolaus nicht, was ich dort zu suchen hatte, sondern nickte, als wäre Bad Herrenalb mein tägliches Pflaster. Ich könnte ihm sagen, dort hätte ich einen Liebhaber. Er würde vielleicht nur die Stirn runzeln und lediglich hoffen, dass es keiner seiner Klienten war.
»Eine langweilige Fahrerei dorthin!«, fuhr ich fort. »Laster, Motorräder und dazwischen ich!«
»Sie sollten eben diese Motorradstrecke bauen. Eine innovative Sache. Würde eine gute Klientel ins Albtal bringen. Ältere Männer, große Maschinen, dicke Konten. Ich war immer dafür. Deine Friederike Schmied übrigens nicht. Sie hat seinerzeit sogar Leserbriefe gegen das
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