Tod im Albtal
Organisation »Töchter des Albtals« ausgenutzt und Leserbriefe geschrieben. Machte ihren Mann damit lächerlich und gefährdete Tibors Pläne. Dann plötzlich, etwa eine Woche vor ihrer Ermordung, war sie auf einmal für den Straßenausbau. Warum diese plötzliche Kehrtwende?
Ratlos blickte ich auf meine Zeichnung, die aus einander überschneidenden Linien und ansonsten nur aus Fragezeichen zu bestehen schien. Wollte ich auf all diese Fragen Antworten finden, drohte die Sache allmählich zur Ganztagsbeschäftigung zu werden. Ich lehnte mich zurück.
Damit hast du doch endlich deinen tieferen Sinn im Leben, Swentja Tobler! Anstatt überall nach dem weißen Bolero von Valentino zu fahnden, den du im Frühjahr in Paris an einer Frau im Restaurant gesehen hast und dem du seither quer durch Europa nachjagst, wäre hier richtig was zu tun. Du musst mit Friederikes angeblichem Freund, dem Hundepensionsbesitzer Bleibtrau, sprechen. Und du solltest versuchen, eine Liste von Friederikes möglichen Vätern zu erstellen.
Wer war an dem Abend auf ihrer Party, wer hat sich seltsam verhalten, und wer hätte das richtige Alter für eine Tochter von zweiunddreißig Jahren?
Nachdenklich betrachtete ich mein Blatt und versuchte ein Verbindungsglied zwischen den beiden Farblinien zu finden. Fehlanzeige.
Ich wusste trotz allem noch nicht genug über Friederike und ihre Welt. Ich brauchte eine Frau, die sie gekannt hatte und die klug war und gut beobachten konnte.
Ich eilte zu meiner Kundenkartei, die in Form einer altmodischen Rollkartei auf dem Schreibtisch stand. Das teure Manufactum-Teil in schwarzem Retrolook hatte seinen Platz direkt neben dem handsignierten Foto von Marilyn Monroe, das ich vor Jahren auf einem Flohmarkt in London für zwei Pfund erworben hatte. Marilyn sah mir mit ihrem ewig verführerischen Lächeln zu, als ich die Kartei flink durchblätterte.
Ich sortierte die Namen nach Gesprächigkeit, Intelligenz und Bekanntschaft mit den Schmieds. Und stieß auf einen echten Goldfisch, als ich die Adresse von Marlies Rubenhöfer herausangelte. Auf die hätte ich eigentlich schon früher kommen können.
Marlies war eine Klientin, die ich gerne mochte. Eine witzige und intelligente Person, die leider ab und zu ihren gesamten Kleiderschrank entleerte und mit einer neuen Farblinie bestückte, nur um kurz darauf festzustellen, dass ihr die neue Farbe überhaupt nicht stand.
Kürzlich war es Grau gewesen. In allen Schattierungen von Mausgrau über Steingrau zu Taupe. Marlies, die in einem geräumigen Einfamilienhaus oben in Moosbronn lebte, war schwarzhaarig, eher blass, mit schönen braunen Augen. Grau war deshalb so ziemlich die letzte Farbe auf der Welt, die ihr gut bekam. Vor Kurzem hatte ich sie getroffen, wie sie einen riesigen Sack mit grauen Klamotten zur Diakonie in der Winterstraße in Karlsruhe schleppte.
»Soll sich irgendeine drüber freuen, die in dem Zeug nicht aussieht wie eine Feldratte«, bemerkte sie lakonisch. »Ich denke jetzt an Signalrot!«
»Marlies«, gab ich zurück, »komm lieber zu mir. Die Roten landen in Kürze ebenfalls hier. Irgendwann begegnen dir in ganz Mittelbaden auf Schritt und Tritt deine eigenen Klamotten, sogar in unseren Kreisen, und das muss nicht sein. Rot steht praktisch niemandem.«
»Wenn du das sagst. Melde dich doch gelegentlich!«, hatte sie ergeben geseufzt und zwanzig graue T-Shirts auf den Tresen des Diakonieladens gepackt.
Genau das hatte ich jetzt vor. Marlies wohnte zwar in Moosbronn, stammte aber ursprünglich aus Ettlingen und kannte eine Menge Leute. Sie war aufgeschlossen und führte ein pralles gesellschaftliches Leben, denn sie hatte neben Hund und drei Kindern, die in Schulen in Baden-Baden, Karlsruhe und Pforzheim gingen, zahlreiche gesellige Hobbys wie Doppelkopf, Rommé und Canasta. Sie war also eine echte Multiplikatorin und Netzwerkerin.
Ich plante einen kleinen Abstecher zu ihr auf die Höhe. Das bedeutete kein Opfer, denn es war schön da oben in dem kleinen Dorf, das eigentlich zu Gaggenau im Murgtal gehörte. Allein schon die Fahrt über die gewundenen kleinen Straßen hatte etwas Beruhigendes, und mit jedem Höhenmeter verstärkte sich das Gefühl, dass man die Sorgen der Rheinebene unter sich zurückließ. Und da es hier ein Gestüt mit Islandpferden gab, war der Ort ein beliebtes Ausflugsziel von Städtern mit pferdenärrischen Kindern. Früher war ich oft mit Sammy hier gewesen.
Ich, nicht wir. Ob Nicolaus jemals dabei war? Ich konnte
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