Tod Im Anflug
empörten Hinterbliebenen erklären zu müssen, dass es gar nicht so einfach war, einen Täter zu überführen, wenn er nicht gerade blutverschmiert und mit einem Messer bewaffnet über der Leiche stehend festgenommen werden konnte. Mit Routine hatte das hier nichts zu tun. »Das Einzige, was ich Ihnen bisher mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Ihr Mann vergiftet wurde.«
Na endlich
, dachte Tom und hüpfte zufrieden auf den Rasen, um an einem einsamen Grashalm zu zupfen.
Das wurde aber auch Zeit.
Der Rasen rund um das provisorische Polizeibüro hatte inzwischen ziemlich gelitten. Schuld daran waren Toms häufige Besuche und die damit verbundenen Tarnmanöver. Spärlicher Bewuchs, etliche zum Teil kahlgezupfte Stellen und tiefe Mulden erinnerten inzwischen entfernt an einen Golfplatz und waren nun mal ein Nebenprodukt seiner kriminalistischen Arbeit. Der Campingplatz war inzwischen vollends zum Leben erwacht. Überall tat sich etwas. Auch bei bedecktem Himmel wurden Tische und Stühle auf die Wiese gerückt, oder es wurde bereits ausgelassen gefrühstückt. Ein Hund kläffte, und Tom wusste sofort, es war Dackel Balu. Jupp schwang wie jeden Morgen seinen Besen und fegte den Hauseingang. Mit jeder ausholenden Bewegung klimperte sein Schlüsselbund, den er stets am Gürtel trug. Dabei hatte er ein wachsames Auge auf Tom, den er wohl als Verursacher der geschundenen Grünfläche unter Verdacht hatte.
»Vergiftet?! Wer zum Teufel hat das getan?«, fragte Luzie entsetzt und lenkte Toms Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch im Büro.
»Nun, wir haben ein wenig recherchiert, wie das bei einem Mord so üblich ist. Natürlich haben wir dabei auch Ihre Lebensumstände überprüft, Frau Breetz. Was denken Sie, was wir herausgefunden haben?«
Luzie sog hörbar die Luft ein. Tom spürte ihre Nervosität. Sie rang um Worte, doch schließlich antwortete sie nur mit einem einfachen: »Keine Ahnung.«
Luzie verbarg etwas, das war keine Frage. Und Tom ahnte, welches Geheimnis sie für sich behalten wollte.
Wenn Reiners ein Fuchs war
, überlegte er und korrigierte sich ganz schnell wieder,
also, wenn in Reiners auch nur ein bisschen Nilgans steckte, dann musste er ebenfalls herausgefunden haben, was Tom bereits längst wusste.
Es war Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Und tatsächlich setzte Reiners auf den »Herz Buben«. »Dann will ich Ihnen mal ein wenig auf die Sprünge helfen. Sagt Ihnen der Name Bernd Stegner etwas?«
Hoppla
, dachte Tom,
gar nicht mal so übel.
Das Team hier auf dem Platz war halbwegs auf Zack, jedenfalls besser als so manches Ermittlerpaar im Fernsehen. Jetzt wurde es aber richtig spannend, und Tom flog wieder auf die Rückenlehne der Bank, um dem Gespräch besser folgen zu können.
»Nein, sollte er das?«, antwortete sie frech und mit trotzigem Blick. Das sollte wohl ihre Überraschung verbergen.
»Einspruch!«, trompetete Tom sofort wie ein Staatsanwalt und schnatterte »Falschaussage!« gleich hinterher. Er wusste es schließlich besser.
»Ich glaube, Sie sagen Bernie zu ihm. Ist es nicht so?«, fuhr Reiners gelassen fort und zog damit eine weitere Karte aus dem Ärmel. »Er ist Ihr Geliebter und ein echt knackiges Tatmotiv, wenn Sie mich fragen.« Auch das war eine Situation, die Reiners bestimmt gut kannte. Viele Angehörige mauerten, was das Zeug hielt; und das nur, um nicht ins Visier der Polizei zu geraten. Dabei machte sie gerade das so verdächtig. »Sie brauchen gar nicht so entsetzt zu schauen, Frau Breetz. Das ist kein Geheimnis. Nicht auf einem Campingplatz wie diesem. Oder haben Sie etwa geglaubt, niemand hätte etwas von Ihrem kleinen Tête-à-Tête gewusst?« Reiners lachte amüsiert auf. Und Tom war klar, dass es das Ziel des Kommissars war, Luzie mit pikanten Details seiner Recherchen aus der Fassung zu bringen und sie so zu Äußerungen zu verleiten, die sie sonst vielleicht für sich behalten hätte. »Hier gibt es Augen und Ohren, Frau Breetz«, setzte Reiners nach, »hinter jedem Busch, jedem Strauch und jeder Gardine. Was haben Sie denn gedacht? Ihre Geschichte kursiert schon eine ganze Weile auf dem Platz und trägt zur Erheiterung beim Frühstück bei.« Ein spöttischer Unterton schwang in seiner Stimme. »Der Einzige, der anscheinend nichts von Ihrem Betrug gewusst hat, war Ihr Ehemann. Ist es nicht so?«
Mit fahrigen Handbewegungen strich sich Luzie immer wieder eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie kämpfte mit sich. Schließlich fauchte sie:
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