Tod Im Anflug
vergnügt.
Während Ede zu einem Stück Trockenkuchen griff und es in Stücke brach, ging Tom der aufregende Vormittag nicht aus dem Kopf. Zuerst die kurze Observierung von Elke, dann Luzies Verhör, anschließend die Nachricht von Bernds Tod und dann noch die Vernehmung von Ede und Karl-Heinz. Wieder ein Tag, der es in sich gehabt hatte – und er war noch nicht zu Ende.
»Hier, greif zu, Nili. Ein kleines Stückchen Kuchen gefällig?«, fragte Ede und hielt ihm den Kuchen hin. Dabei entdeckte Tom erstmals drei kleine schwarze Punkte zwischen seinem Daumen und Zeigefinger, die ihm bisher nicht aufgefallen waren.
Mit gesundem Appetit packte er das dargebotene Stück. Edes Trockenkuchen waren immer etwas Besonderes und gar nicht so trocken, wie der Name es vermuten ließ. Doch auf diesem Stückchen kaute er nur zweimal herum und spuckte es anschließend voller Abscheu im hohen Bogen wieder aus. Es ekelte ihn fürchterlich und sein Magen rebellierte. Pfui, was war das denn? Warum schmeckte der Kuchen heute so eigenartig? Er schmeckte ja wie … Neptunus und Tiger gerochen hatten! Tom spuckte immer noch aufgeregt um sich und schüttelte sich heftig. Dieser Kuchen schmeckte eindeutig nach Tod. Angewidert krächzte und würgte er, bis auch das letzte Krümelchen aus seinem Schnabel verschwunden war.
Gleichzeitig überschlugen sich die Fragen in seinem Kopf. War der Kuchen etwa vergiftet? War etwa Ede der gesuchte Giftmischer vom Campingplatz?
»Aber Nili, was machst du denn da? Spuckst den guten Kuchen wieder aus. Jetzt habe ich all die Krümel auf dem Rasen.« Ede schüttelte den Kopf, seufzte und sah Tom so nachsichtig an, wie man nur einen jungen Welpen ansehen kann, wenn er gerade wieder einmal sein Geschäft im Haus gemacht hat. »Hast so etwas wohl noch nie probiert, was? Den habe ich erst gestern gekauft. Das ist eine ganz neue Geschmacksrichtung. Mal was anderes als immer nur Marmorkuchen, habe ich mir gedacht. Der ist mit Marzipan. Aber auch wenn er ein bisschen wie nach Bittermandeln schmeckt – glaub mir, Zyankali ist da nicht drin.«
Zyankali …?
Tom horchte auf und schluckte schwer. So also roch und schmeckte Zyankali. Von diesem Gift hatte er schon gehört. Bei
CSI
. Doch wie es roch, wusste er natürlich nicht.
Zyankali, das also hatte Neptunus, Tiger und auch Alex umgebracht.
Wieder und wieder kreiste das Wort durch Toms Kopf.
Zy-an-kali … Und plötzlich ging ihm ein Licht auf. Also diese Bachstelzen – als Zeugen konnte man die glatt vergessen. Jetzt musste er mit seinen Ermittlungen wieder von vorne anfangen. Denn alles, was Karli oder Charlie hieß, ganz gleich ob männlich oder weiblich, war mit einem Streich zwar nicht aus dem Schneider, aber zumindest nicht mehr dringend tatverdächtig. Denn Alex hatte nicht seinen Mörder erkannt, sondern die Mordwaffe.
Er hatte nicht
»Zieh an, Karli«
gesagt, sondern
»Zy-an-kali«
.
17
Die Aussage der Bachstelzen hatte so glaubhaft geklungen – und hatte sich letztendlich nur als Ente entpuppt. Eine Falschmeldung, die Tom viel Zeit und Energie gekostet hatte.
Ich muss noch aufmerksamer sein und auch Zeugenaussagen noch besser hinterfragen,
ermahnte er sich selbst und wunderte sich, zu welchen Verdächtigungen er fähig war. Auf der Basis der neuen Erkenntnisse überdachte er die Bewertung seiner Verdächtigen und stufte Karl-Heinz von
»dringend tatverdächtig«
auf
»höchstwahrscheinlich harmlos«
herab. Seine Observation strich er kurzerhand. Lottes Gefährlichkeit reduzierte er von
»dritter Mord in Planung«
auf
»vermutlich unschuldig«
und war froh, nun nicht mehr ständig nachsehen zu müssen, ob Jupp noch lebte oder wo dieser kläffende Dackel sich gerade herumtrieb. Aber trotz allem: Ganz von seiner Liste streichen wollte er die beiden noch nicht.
Sogar Ohrring-Charlie war im Moment nicht mehr ganz so tatverdächtig. Oder etwa doch? Zum ersten Mal bemerkte Tom eine weitere typische Ermittlerkrankheit an sich: Misstrauen. Waren Zweifel und Argwohn erst einmal aufgekommen, konnte man sich davon noch schlechter befreien als von verklapptem Altöl im Gefieder. Auch wenn Charlies Name kein Indiz mehr war, so war er doch derjenige, dem Tom den Mord an Alex zutraute – mehr als allen anderen. Und so, wie der aussah, wusste er auch an Zyankali zu kommen. Nichts sprach dafür, seinen Status
»dringend tatverdächtig«
herabzustufen. Auch wenn er vom Typ her eher ein Haudrauf als ein Giftmischer war.
Über all dies wollte Tom noch
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