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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Blick nach draußen geworfen? Nein, nein, bleibt, wo Ihr seid!» Burka drückte sie zurück auf die Bank. «Am Fenster ist es viel zu zugig für Euch.» Er ging zum Tisch und lehnte sich dagegen. «Es hat eben erst aufgehört zu schneien. Euer Vater ist mit Vitus noch einmal zum Zunfthaus gegangen, obwohl ich ihm abgeraten habe. Die Straßen sind vereist und glatt. Eine Kranke im Haus dürfte genügen. Aber er wollte nicht hören.» Er hielt kurz inne und lächelte dann. «Immerhin seid Ihr nun meine Patientin, nicht wahr? Obwohl Ihr nicht auf meinen Rat hören wollt.»
    «Es geht mir schon besser.» Das stimmte sogar. Der Kräuteraufguss belebte sie, und das Fieber schien allmählich zu sinken. «Am Sonntag war Magister Arnoldus hier. Warum habt Ihr ihn fortgeschickt?»
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Burka einfach den Raum verlassen. Er stieß sich vom Tisch ab und ging auf die Tür zu, doch auf halbem Weg drehte er sich wieder zu ihr um.
    «Es scheint, als habet diesmal Ihr mich belauscht.» Adelina stellte den leeren Becher neben sich und faltete die Hände im Schoß. Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    «Mir ist nichts anderes übrig geblieben. Wenn EuerGespräch nicht für fremde Ohren bestimmt war, hättet Ihr die Küchentür schließen müssen. Dieses Haus trägt den Schall bis in die hintersten Winkel.»
    «Tut es das?»
    «Wie Fanfarenstöße. Warum habt Ihr den Posten an der Universität abgelehnt? Die Fakultät ist noch keine zehn Jahre alt, aber es kommen immer mehr Scholaren hierher. Der Papst hält seine schützende Hand über uns.»
    «Der Papst.» Burka schnaubte. «Ich kann den Posten nicht annehmen.»
    «Warum nicht?»
    Wieder entstand eine Pause. Burka sah sie lange nachdenklich an, bevor er ihr antwortete.
    «Ich kann nicht. Es wäre schön, wenn Ihr es dabei bewenden ließet.»
    «Wisst Ihr, was mein übelster Charakterzug ist?»
    «Eure spitze Zunge?»
    Adelina schüttelte grinsend den Kopf.
    «Meine Neugier. Ich habe immer gedacht, für einen Gelehrten müsse es nichts Schöneres geben, als die Gelegenheit, sein Wissen mit anderen zu teilen. Korrigiert mich, wenn ich das falsch sehe.»
    «Ihr habt vollkommen Recht.»
    «Und trotzdem weist Ihr die Möglichkeit zurück, genau das zu tun. Ihr hättet ein gutes Auskommen. Einen gesicherten Lebensunterhalt. Manch einer würde dafür morden.»
    «Wie Recht Ihr auch damit habt.» Ein sarkastisches Lächeln verzog seine Lippen. «Es gibt aber auch andere Wege, sein Auskommen zu haben und ein nützliches Leben zu führen.»
    «Aber keinen so angesehenen und sicheren.»
    Der Medicus seufzte.
    «Ihr gebt keine Ruhe, ja?»
    Adelina sah nur aufmerksam zu ihm auf.
    «Also gut. Aber macht Euch darauf gefasst, dass Euch nicht gefallen wird, was ich Euch erzähle.» Er blickte an die Decke. «Möglicherweise wird unsere Bekanntschaft in dem Moment enden, in dem Ihr alles wisst. Es ist wie mein Schatten. Ich werde es nicht los. Es wäre nur …»
    «Was?»
    «Dass ich in Italien gelebt habe, bevor ich nach Köln kam, wisst Ihr ja schon.»
    «Salerno.»
    «Ich habe dort studiert und später gearbeitet. Die italienischen Städte sind wahre Goldgruben für Ärzte. Alle Tage werden dort Menschen umgebracht, müsst Ihr wissen. Italien wimmelt von Giftmischern und Meuchelmördern. Außerdem ist es dort viel wärmer als hierzulande. Die Menschen erkranken an der Pest, an Pocken oder Durchfallkrankheiten …»
    «Wie schrecklich!» Adelina rückte noch ein Stückchen näher an den Ofen heran.
    «Jedenfalls lebte ich dort sehr gut, für einige Jahre. Aber wisst Ihr, was mich immer gequält hat?» Er ließ sich neben ihr auf die Bank sinken. «Ich wurde zu Patienten gerufen, die Schmerzen hatten und so schwer krank waren, dass ich ihnen nicht helfen konnte. Ich konnte ihnen nicht helfen, weil ich nicht wusste, was ihnen fehlte. Viele Menschen sterben, weil wir Ärzte nicht wissen, woher ihre Krankheiten kommen.»
    «Das ist Gottes Wille», meinte Adelina und hätte beinahe seine Hand ergriffen. Doch er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie aufgebracht an.
    «Gottes Wille ist es auch, dass Ärzte heilen, oder?»Er atmete tief durch, dann sprach er gelassener weiter: «Ich habe mich nie mit Gottes Willen zufrieden gegeben, sondern weiter studiert, mit gelehrten Männern gesprochen … Habt Ihr schon einmal von Avicenna gehört? Ein maurischer Medicus, der vor fast dreihundert Jahren gelebt hat. Er hat vieles gewusst, das heute in

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