Tod im Beginenhaus
was ist?» Die Ratsherren wurden langsam ungeduldig. Es dauerte ihnen zu lange, und man sah ihnen an, dass sie die Sektion inzwischen nicht mehr für eine gute Idee hielten.
«Der Magen ist fast leer.» Burka stocherte wieder mit seinem Hölzchen. «Hier ist nichts zu finden.»
«Kein Mutterkorn?» Erschrocken trat Adelina ganz nahe an die Leiche heran und beäugte das Mageninnere.
«Nicht einmal der Rest der letzten Mahlzeit.»
«Soll das heißen, dass wir umsonst hier stehen?», rief Reese, senkte jedoch rasch die Stimme. «Ihr könnt nichts finden?»
«Nichts», bestätigte Burka. Adelina sah ihm an, dass er ebenfalls verärgert war. «Aber die Organschäden weisen ganz deutlich auf eine Vergiftung hin. Seht, auch der Magen ist betroffen.»
Doch Reese schüttelte nur erzürnt den Kopf und befahl, die Leiche sofort wieder zuzunähen und endlich fortzubringen.
Burka nickte und zog Nadel und Faden hervor. Geschicktvernähte er die Bauchlappen und säuberte den Körper von den Blutresten. Dann hüllte er ein neues weißes Tuch um die Leiche, und gemeinsam trugen die Männer die Bahre zurück in die Kapelle. Adelina folgte ihnen beklommen und beobachtete, wie sie die Bahre wieder auf dem Gestell vor dem Altar abstellten und die Talglichter zurechtrückten.
«Ich gehe und hole die Leichenträger», brummte Reese.
«Wartet!», hielt Adelina ihn zurück. «Wo sind eigentlich die Wächter? Wie habt Ihr es geschafft, sie abzulenken?»
«Ihr seid wirklich einfältig.» Er schüttelte den Kopf. «Wir konnten sie natürlich nicht ablenken. Wir haben ihnen Wein gegeben, der mit Schlafmohn versetzt war. In ein paar Stunden werden sie aufwachen.»
«Und die Kranken und Gefangenen?»
«Sind angekettet, wie immer. Denen geschieht schon nichts.»
Missmutig verließ er die Kapelle. Die beiden anderen Ratsherren folgten ihm wie stumme Schatten.
«Woher hattet Ihr den Schlafmohn?», rief sie ihnen nach, doch sie bekam keine Antwort. Hinter ihr räusperte sich Burka.
«Ihr solltet Eure Stimme dämpfen», meinte er mit strenger Miene. «Den Schlafmohn haben sie von den Beginen, hat er mir erzählt.»
«Er hat die Beginen eingeweiht?» Sie blinzelte erstaunt.
«Nur Irmingard und Heidrun, die Pflegerin, die heute hier Dienst tut. Wie hätte er sonst die Wächter ruhig stellen sollen?»
«Ist Irmingard denn hier?»
Er schüttelte den Kopf.
«Heute ist die Totenfeier für Brigitta. Sämtliche Beginen der Stadt haben sich in der Pfarrkirche St. Kunibert versammelt.» Vorsichtig rückte Burka an einem der Lichtständer herum, dann wandte er sich zum Gehen.
«Kommt, wir haben hier nichts mehr verloren. Es ist schlimm genug, dass wir überhaupt hier waren.»
Adelina blickte zu dem verhüllten Leichnam; sie spürte ein ungutes Kribbeln in der Magengrube. Der Körper war so klein. Langsam ging sie ein paar Schritte darauf zu.
«Was habt Ihr vor?», fragte Burka misstrauisch. Sie hob die Schultern.
«Wer ist die Tote?»
«Das tut nichts zur Sache, Adelina. Kommt, wir gehen jetzt.»
Sie sah ihn an. Er wirkte erschrocken.
«Ich will wissen, wer es ist», beharrte sie und trat nahe an die Bahre heran. Das Herz klopfte ihr mit einem Male bis zum Hals.
«Nein!», Burka packte sie am Arm und wollte sie mit sich fortziehen, doch sie wehrte sich und machte einen Schritt zur Seite. Dabei stieß sie eine der Talglampen samt Ständer um. Burka griff nach dem Ständer, gerade rechtzeitig, bevor dieser zu Boden fallen konnte. Das Lämpchen landete mit einem harten Klacken auf den Steinfliesen.
«Nein!», rief er noch einmal, aber sie hatte bereits die Hüllen vom Kopf der Leiche gelöst. Als sie in das kleine, stille, grau verfärbte Gesichtchen blickte, stieß sie einen erstickten Schrei aus.
«Ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt das nicht tun!», schimpfte Burka aufgebracht und zog die Tücher wiederüber den Kopf. Dann stellte er das erloschene Talglicht auf den Ständer zurück, nahm Adelina am Handgelenk und zog sie mit sich aus der Kapelle.
«Vincentia», murmelte sie, als sie beim Turmeingang anlangten. «Ihr habt Vincentia aufgeschnitten!»
Burka sah ihr besorgt ins Gesicht und zog sie weiter bis auf die Gasse.
«Atmet tief durch», befahl er.
«Ihr habt es die ganze Zeit gewusst.» Anklagend starrte sie ihn an. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
«Und was macht es für einen Unterschied? Das Mädchen ist tot. Ihr könnt ihr nicht mehr helfen. Sie wird noch heute zum Spitalsfriedhof gebracht.»
«Sie war doch
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