Tod im Beginenhaus
wollte ihn nicht. Niemals. Auch nicht, wenn er ihr ein eigenes Geschäft verschaffte.
«Er wäre Euch nicht gewachsen», hörte sie Burka wie von ferne sagen, und sie sah sein schalkhaftes Lächeln vor sich. Ein Lächeln, das sie schon lange nicht mehr an ihm gesehen hatte. Manche Dinge ließen sich nun mal nicht ändern.
Sie straffte die Schultern und ging zur Kammer ihres Vaters, klopfte kurz und trat ein. Albert lag in seinen Kleidern auf dem Bett, die Decke bis zum Hals hochgezogen, und schlief.
«Vater!» Sie rüttelte ihn an der Schulter, bis er die Augen aufschlug. «Steh bitte auf, unser Besuch ist da.»
«Besuch? Welcher Besuch?» Verwirrt rieb Albert sich die Augen.
«Ludolf Beichgard», antwortete sie und half ihm, seine Kleider zu richten.
«Was? Wer? Heute?» Albert runzelte verwundert die Stirn und ging hinüber in die Küche. Adelina folgte ihm mit einem unguten Gefühl. Ihr Vater schien schon wieder leicht verwirrt. Sie hoffte, dass sich das gleich wieder legen würde.
***
«Ludolf, guten Tag!», begrüßte Albert den Besucher und ließ sich ihm gegenüber am Tisch nieder. Adelina atmete auf und machte sich daran, Würzwein in einem Topf zu erhitzen, behielt ihren Vater jedoch vorsichtshalber im Auge.
«Ich war auf deinen Besuch gar nicht vorbereitet», sagte er gerade. Das breite Lächeln auf Beichgards Gesicht wandelte sich in Erstaunen.
«Nicht? Wir hatten den heutigen Tag doch verabredet, oder nicht?» Als Albert nur mit den Schultern zuckte, ließ er es dabei bewenden. «Ich habe Adelina gerade gesagt, wie ausgesprochen reizend sie heute aussieht.»
«Adelina?» Albert sah sich kurz um. «Ach ja, sie ist wirklich ein liebes Mädchen. Und ihrer Mutter so ähnlich! Wenn sie einmal groß ist, wird sie eine Schönheit sein. Nicht wahr, Sieglinde?»
Adelina verschüttete den Wein, den sie gerade in den Topf über dem Dreibein hatte gießen wollen. Das Herdfeuer zischte laut auf, und eine kleine Dampfwolke stieg hoch. Beichgard blickte unsicher zu ihr, dann wieder zu Albert. Offenbar wusste er nicht recht, was er mit dessen Worten anfangen sollte.
Sie stellte den Krug ab und wischte sich die Hände an einem Leinentuch trocken, während sie fieberhaft überlegte, wie sie reagieren sollte.
«Vater, du verwechselst da etwas. Herr Beichgard ist wegen mir hier. Du hast ihn doch selbst eingeladen, weißt du nicht mehr? Wegen des Heiratsantrags?»
«Heiratsantrag? Wen will er denn heiraten? Unser Mädchen etwa? Sie ist doch noch ein kleines Kind, Sieglinde. Ich werde sie doch nicht jetzt schon einem so viel älteren Mann anverloben!» Albert schüttelte den Kopfund sah Adelina anklagend an. Beichgard räusperte sich.
«Adelina? Was ist hier los? Soll das ein Scherz sein?»
«Wieso Scherz?», rief Albert erregt. «Du willst ja wohl nicht wirklich um die Hand meines kleinen Mädchens anhalten? Das ist doch Blödsinn. Aber warte! Sieglinde, hast du nicht gesagt, er habe dich belästigt? Stimmt das, Ludolf? Bist du am Ende meiner Frau nachgestiegen?»
«Albert, was …?» Beichgard zog irritiert die Brauen zusammen.
«Vater, beruhige dich! Niemand ist irgendwem nachgestiegen. Weißt du was, ich werde Herrn Beichgard nun hinausbegleiten. Du wartest hier, dann mache ich dir gleich einen schönen heißen Wein.» Adelina tätschelte ihrem Vater beruhigend die Wange, dann winkte sie Beichgard, mit ihr zu kommen.
Kaum waren sie aus der Tür, als er sie an der Schulter fasste.
«Was geht hier vor?» Alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen. Sie schüttelte den Kopf und legte den Zeigefinger an die Lippen. Eilig ging sie voraus in die Apotheke. Erst dort wagte sie zu sprechen.
«Herr Beichgard, es tut mir Leid, dass das passiert ist. Ich wusste nicht, dass er schon wieder so einen Anfall hat.»
«Schon wieder? Anfall?»
Sie nickte unbehaglich.
«Mein Vater ist krank. Er leidet an einer Art Vergesslichkeit. In den letzten Wochen ist es zunehmend schlimmer geworden. Er hält mich immer öfter für meine Mutter und lebt in der Vergangenheit. Ich weiß nicht, was man dagegen tun kann, aber Magister Burka meinte, es könne noch schlimmer werden.»
«Noch schlimmer?», echote Beichgart. «Also ist nicht nur Euer Bruder, sondern auch Euer Vater krank? Liegt es am Ende doch in der Familie?»
Adelina erschrak. Noch nie war ihr in den Sinn gekommen, dass die Leute es so sehen könnten. Sie schüttelte entsetzt den Kopf.
«Nein. Die Krankheit meines Vaters ist etwas vollkommen anderes als die
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