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Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Titel: Tod im Ebbelwei-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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nicht ahnen konnte, daß sie, die Polen, über jeden Verdacht erhaben sein würden. Aus der Ferne betrachtet, außerdem seien die Lichtverhältnisse alles andere als optimal gewesen, habe es schon ein bißchen nach Einbruch ausgesehen. Und da habe er als ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft gar nicht anders gekonnt, als mal eben nach der aufrechtzuerhaltenden Ordnung zu schauen.
    Herr Schweitzer fand die Geschichte, je öfter er sie sich erzählte, immer besser. Er durfte nur nicht vergessen, die Russen für Polen zu halten, denn dann glaubte die schurkische Mafia-Truppe mit Sicherheit, mit ihm, Herrn Schweitzer, tatsächlich einen gänzlich ahnungslosen Bürger vor sich zu haben, der nur erpicht darauf war, seine heilige Pflicht zu tun. Wenn er nur naiv genug daherredete, würde es schon klappen. Und er wäre bestimmt bald frei. Schlecht wäre es aber, sie würden ihn erst gar nicht zu Wort kommen lassen und ihn gleich über den Haufen ballern. In diesem Fall wäre es äußerst listig, vorher zu verschwinden.
    Womit Herr Schweitzer so weit war wie vorher, denn der Fluchtgedanke war absurd. Ohne ein paar Stangen Dynamit war er ihnen hilflos ausgeliefert. Da war es auch kein Trost, daß Casanova sich 1755 einem ähnlichen Drangsal ausgesetzt sah, als man ihn wegen ungenügendem Gottesglauben in den Bleikammern von Venedig schmoren ließ. Allerdings war diesem Frauenheld die Flucht geglückt. Davon war Herr Schweitzer meilenweit entfernt.
    Doch Sprengstoff hatte er zufällig leider keinen dabei. Auch war nach zwei läppischen Einheiten im Sportstudio kaum daran zu denken, die Tür mit einem gezielten Kung-Fu-Tritt aus den Angeln zu sprengen. Bei diesem seinem Gedanken glitten die Augen zur Tür, ob da nicht vielleicht doch was zu machen sei, aber nein, der Glaube daran war bereits fehlgeleitet. Der Versuch würde umso lächerlicher ausfallen. Ihm fehlte definitiv das Zeug zu einem veritablen James Bond.
    Herr Schweitzer erhob sich. Von draußen hörte er sich nähernde Schritte und Stimmen. Schnell legte er sich wieder hin und stellte sich schlafend. Sein Herz hämmerte wie wild, als sich der Schlüssel drehte. Er hörte, wie zwei Männer seinen Kerker betraten, sein Gesicht war zur Wand gewandt, denn Toter-Mann-spielen war mitnichten sein Metier. Wenn sie ihn jetzt erschössen, brauchte er den toten Mann nicht mehr vorzutäuschen. Ein schrecklicher Gedanke. Eine eiserne Hand legte sich wie eine Garotte um seinen Hals – metaphorisch gesehen, denn tatsächlich unterhielten sich die beiden bloß auf russisch, der Einfachheit halber gleich übersetzt, dennoch für Herrn Schweitzer nicht verständlich.
    Stimme A: „Ist der Fettsack noch immer nicht aufgewacht.“
    Stimme B: „So wie du zugehauen hast, ist der bestimmt tot.“
    A: „Das war doch nur ganz leicht.“
    B: „Jaja, so wie damals in Köln. Und ich durfte zusehen, wie wir die Leiche loswerden.“
    A: „Das ist doch nicht zu vergleichen. Der Chef hatte gesagt, egal ob tot oder lebendig, Hauptsache tot.“
    B: „Das war doch nur Spaß vom Chef. Und du hast mal wieder alles wörtlich genommen.“
    A: „Aber wenn der Chef sagt …“
    B, nun etwas zorniger: „Weißt du, was dir fehlt? Feingefühl und Sinn für Humor.“
    A: „Na und, bin ich vielleicht ein dämlicher Kolchosebauer oder bin ich ein klasse Killer? Außerdem lebt der Fettsack ja noch.“
    Stimme B ging in die Hocke und suchte an Herrn Schweitzers Halsschlagader nach einem Lebenszeichen.
    Es war, als hätte man Herrn Schweitzer einen Eisbeutel aufgelegt. Nur mit allergrößter Mühe konnte er sich beherrschen, nicht sein ganzes Leid herauszuschreien. Hätte die Hand ihn auch nur eine Sekunde länger berührt, es wäre aus gewesen.
    Stimme B: „Na siehst du, lebt noch. Kannst ja selbst mal probieren.“
    Wäre Herr Schweitzer des Russischen mächtig gewesen, seine mühsam aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung wäre wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Gottlob war er kein Sprachgenie.
    B: „Ist ja auch egal. Montag kommt der Chef, der wird dann schon wissen, was zu tun ist. Ich fahre auf jeden Fall morgen mit Pjotr nach Camberg. Du paßt solange auf den da auf.“
    A: „Immer hab ich die Arschkarte.“
    B: „Vielleicht ist er ja nur ein harmloser Passant.“
    A: „Und was schnüffelt der dann an den Klingeln rum?“
    B: „Weil er vielleicht jemanden besuchen wollte, hä, wie wär’s damit?“
    A: „Schon gut, schon gut. Ich bring dem Dicken hier später was zu trinken.“
    B: „Tu das.

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