Tod im Herbst
sagte Galli und grinste.
»Na schön, Sie können mit hochkommen.« Eine Hand wäscht die andere.
In diesem Gebäudeteil waren nur die Hauptkorridore erleuchtet, doch im gegenüberliegenden Trakt, auf der andere n Seit e de s Rasen s un d hinte r de m alte n Säulengang, brannte noch Licht im Erdgeschoß, in einem Raum, in dem die jüngeren Leute, die keinen Dienst mehr hatten, Tischtennis spielten, ehe sie in ihre Schlafsäle gingen.
Der Hauptmann schloß seine Bürotür auf, knipste die Schreibtischlamp e a n un d legt e de n große n Umschlag , den er mitgebracht hatte, in eine Schublade.
»Sie hatten also recht«, begann Galli und ließ sich in einen großen Ledersessel fallen. »Es war kein Selbst mord.«
Offenkundig hatte er reichlich gegessen und getrunken, sei n Gesich t wa r geröte t un d fröhlich . E r drückt e seine Zigarette in dem sauberen Aschenbecher aus, der auf dem Schreibtisch stand, und suchte in seiner Manteltasche nach eine m neue n Päckchen . »Ic h bi n pitschnaß . Hoffentlich ruinier e ic h nich t Ihre n Sessel . Wa s habe n Si e mi r den n so zu erzählen?« Man hatte noch nie erlebt, daß Galli wäh ren d eine s Interview s Stif t un d Notizbuc h verwendete, doch obwohl er immer leicht angetrunken wirkte, machte er weniger Fehler als seine Kollegen.
»Was wissen Sie denn schon alles?«
»Eine Menge. Ich habe mit einem Bekannten gesprochen, der im Gerichtsmedizinischen Institut arbeitet, und ich bin im Bellariva gewesen.«
»Manchmal glaube ich, Sie fahren mir den ganzen Tag hinterher.«
»Manchmal stimmt das sogar.«
»Und wann schreiben Sie Ihre Artikel?«
»Wenn Sie ins Bett gegangen sind.« Galli grinste zufrieden. »Diesen Artikel habe ich bestimmt schon in der morg igen Spätausgabe.«
Der Hauptmann nannte ihm die wichtigsten Ergebnisse de r Obduktio n un d näher e Einzelheite n i n bezu g au f die Identitä t de r Toten.
»Irgendein Verdacht?«
»Dazu kann ich noch nichts sagen. Es ist zu früh.«
»Naja , da s hie r reich t schon . Di e Hauptsach e ist , wir bringen es als erste, können den anderen eins auswischen. Besten Dank, Capitano! « Dann steckte er sich eine neue Zigarette in den Mund und ging gutgelaunt hinaus in die Regennacht.
Der Hauptmann nahm den Umschlag mit den persön liche n Dokumente n au s de r Schublad e un d leert e den Inhalt auf die Tischplatte. Da fiel ihm ein, daß er hungrig wa r un d vielleich t bi s spä t i n di e Nach t hinei n würde arbeite n müssen , un d e r stan d auf , u m sic h au s seiner Unterkunft ein belegtes Brot und ein Glas Wein zu holen.
Unten im Freizeitraum brannte kein Licht mehr. Auf dem Weg zurück blieb er vor der Funkzentrale stehen und guckte zu den Männern hinein, die als einzige auf dem Stockwer k noc h Lich t hatten.
»Alles in Ordnung?«
»Jawohl, alles ruhig. In einer Montagnacht bei solchem Wette r is t nieman d unterwegs , nu r wir.«
Wieder in seinem Büro angelangt, begann der Hauptmann, die Dokumente einzeln durchzusehen. Zuerst nahm er den grauen Paß, denn er war neugierig auf ein Fot o vo n de r lebende n Hild e Vogel . Wahrscheinlic h wa r es keine gute Aufnahme, das sind Paßfotos selten, doch die feinen Gesichtszüge zeigten deutlich, daß sie in jungen Jahren eine gutaussehende Frau gewesen sein mußte. Nich t hübsch , dafü r wa r da s Gesich t z u streng , abe r gewiß elegan t un d attraktiv . E s lie ß sic h auc h ein e Andeutun g des ironischen Lächelns finden, von dem einige der Hotelangestellten gesprochen hatten.
»Also, was hattest du vor«, murmelte der Hauptmann z u sic h selbst , währen d e r i n di e kalte n Auge n sah , »da ß du ein so böses Ende genommen hast...?« Aber das Gesicht schwieg. Es verriet ihm nichts. Er legte den Paß beiseite.
Dann kamen ein paar Aktien, die er zwar nicht lesen konnte, von denen er jedoch annahm, daß sie von einem deutschen Stahlkonzern ausgegeben waren. Er legte sie in einen separaten Umschlag, denn er wollte sie übersetzen und ihren Wert ermitteln lassen.
Ein Taschenkalender, in Leder gebunden und mit dem Etikett einer bekannten Florentiner Papierhandlung versehen, erwies sich als wenig aufschlußreich. Hilde Vogel besuchte einmal wöchentlich einen Friseur im Stadtzen trum . Gelegentlic h macht e si e sic h ein e Notiz , u m nich t zu vergessen , Strumpfhose n un d ander e Bedarfsartike l einzu kaufen. In dem alphabetischen Telefonregister stand nicht nur die Nummer des Friseurs, sondern auch diejenige eines Arztes in der Via
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