Tod im Herbst
brennendem Holz. »Aber wir haben nie Ärge r mi t ihne n gehabt . Wolle n Sie , da ß ic h mitkomme?«
»Nein, nein. Ich werde mir bloß das Haus ansehen und mic h erkundigen , o b eine r de r Miete r di e Besitzeri n kennt. Kennen Sie sie? Eine Signora Vogel, eine Deutsche.«
»Ich kannte den früheren Besitzer, er war Deutscher, aber er ist schon lange tot. Die Villa wird über einen Makler vermietet – sehen Sie das Büro dort drüben, unter der Kolonnade zwischen dem Bäcker und dem Zeitungskiosk? Möchten Sie, daß ich dort mal vorspreche?«
»Wenn Sie gerade nicht viel zu tun haben.«
»I n Grev e passiere n nich t s o viel e Verbrechen . Ic h muß eine alte Bekannte aufsuchen, die aus wechselnden Grün den jeden Tag ihre Nachbarn anzeigt, aber hinterher könnte ich bei der Agentur vorbeisehen. Kommen Sie doc h au f de m Rückwe g be i mi r vorbei . E s is t ei n wunder schönes Haus, diese Villa, aber Sie werden sehen, daß es heruntergekomme n ist.«
Es war ein wunderschönes Haus. Der Wachtmeister stieg aus dem Auto, atmete tief die warme Luft ein und blickte sich um. Die Villa stand mitten in einem großen Park, dahinter lag ein Eichenwald, dessen herbstlich leuchtende Farben deutlich mit den dunstverhangenen Hügeln kontrastierten, die sich bis an den Horizont er streckten . A n viele n Stelle n de r ockerfarbene n Fassad e war jedoc h de r Stuc k abgebröckelt , un d eine r de r Fensterläden im ersten Geschoß, von denen die Farbe abblätterte, hing schief in den Angeln. Obwohl es höchstens fünf, sechs Minuten mit dem Auto zum Ort waren, umgab eine fast unnatürliche Stille das Haus, so daß der Wachtmeister erschrak, als ein großes, feuchtes Blatt seine Schulter streifte und mit einem leisen Geräusch auf dem Boden landete. Die feuchte Erde war bedeckt mit einer Schicht vo n gelben , rote n un d braune n Blättern , di e woh l noc h nie zusammengekehrt worden waren. Der Wachtmeister stapfte darüber, zur Rückseite des Gebäudes. Dort gab es einen Swimmingpool, doch er war leer, einige Kacheln fehlten, und das Becken war ebenfalls mit Herbstlaub bedeckt.
Di e Still e wurd e plötzlic h vo n eine m Flötentrille r unter brochen, dem eine Pause folgte und dann eine sehr leise gespielte Melodie. Die Musik kam aus dem Erdgeschoß, aus einem Zimmer, dessen Fenster und Fensterläden of fenstanden. Der Wachtmeister ging darauf zu und blickte hinein. Es war die Küche. Sie war groß, mit einem Holztisch in der Mitte, um den herum Stühle mit strohgeflochtener Sitzfläche standen. Auf einem dieser Stühle saß ein blonder junger Mann und spielte Flöte. Als er den massi ge n Uniformierte n mi t Sonnenbrill e erblickte , hört e er nich t au f z u spielen , sonder n starrt e ih n nu r unverwandt an . De r Wachtmeiste r starrt e zurück , un d sein e großen Augen registrierten alles, vom teuer aussehenden Winter pullove r de s junge n Manne s bi s z u de m Kesse l mi t Wasser, das gleich kochen würde.
»Kann ich Ihnen helfen?«
De r jung e Man n spielt e noc h immer . Di e Stimm e gehört e eine m anderen , jemand , de r u m da s Gebäud e her umgekommen war und sich neben den Wachtmeister vor de m Fenste r stellte . Auc h e r ei n junge r Mann , fas t noc h ein Knabe , dün n un d braunhaarig , i n Jean s un d eine r alten Tweadjacke.
»Ich habe Ihr Auto gesehen«, sagte er, als sich der Wachtmeister ihm zuwandte, doch seine Feststellung hatte eine n fragende n Unterton.
»Ich habe ein paar Routinefragen«, sagte der Wachtmei ster , »hinsichtlic h de r Besitzeri n diese s Hauses , Signora Hild e Vogel . Kenne n Si e sie?«
»Nein. Ich habe den Vertrag mit einem Makler abgeschlossen. Er hatte in der Time s inseriert.«
»In der...?«
»The Times. Die Londoner Zeitung.«
»Ach so. Sie sind Engländer. Wie lange sind Sie schon hier?«
»Fas t ei n Jahr . Ic h male. « Offenba r betrachtet e e r da s als ausreichende Erklärung, da er nichts hinzufügte. Der junge Mann in der Küche spielte noch immer und warf ihnen einen spöttischen Blick zu.
»Ein Freund von Ihnen?« fragte der Wachtmeister und deutete auf den Musiker.
»Nein. Er ist gerade erst angekommen. Er heißt Knut und kommt aus Norwegen. Ich weiß nichts über ihn, außer daß er nicht gut Englisch spricht.«
»Spricht er Italienisch?«
»Keine Ahnung. Wollen Sie, daß ich ihn frage?«
»Ja.«
Der Engländer hatte eine gewisse Schüchternheit, die man als Höflichkeit interpretieren mochte, aber trotz eines starken Akzents und
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