Tod im Herbst
Die Sache gefiel ihm ganz und gar nicht, und langsam wurde ihm klar, warum. Wenn sie nämlich alle aus reichen Familien kamen, dann wären sie jetzt bestimmt zu Hause, würden studieren oder arbeiten, würden, ausgestattet mit all den Privilegien, die sie besaßen, Karriere machen. Statt dessen gammelten sie herum, verschwendeten ihre Zeit und knallten sich mit Drogen voll, wie die bedauernswerten Arbeitslosen, die im Stadtzentrum herumhingen. Wie der Knabe, der vor zwei Wochen an einer Dosis minderwertigen Zeugs gestorben war und dessen Eltern er kannte. Während er Sergeant Lorenzini zurief , da ß e r noc h einma l hinausgehe n wolle , beschlo ß er, au f seine m We g zu m Friseu r be i de n Elter n vorbeizusehen.
»Antonio!«
»Was ist?«
»Jemand will dich sprechen!«
Die stickige Luft, angereichert mit den Gerüchen von nassem Haar und heißem Shampoo, brachte den Wacht meiste r zu m Schwitzen , noc h eh e e r zwe i Minute n i n dem Rau m war . Un d di e viele n Augen , di e ih n au s de n Spiegeln von überallher anstarrten, machten die Sache nicht besser. Bei all den dünnen pinkfarbenen und blauen Nylonkitteln um sich herum war er sich der eigenen Beleibtheit und seiner schweren schwarzen Uniform noch deutlicher bewußt als sonst, und er wußte nicht, wo er sich hinstellen sollte, um den geschäftigen Mädchen mit ihren Tabletts und Handtüchern nicht im Weg zu sein.
Endlic h taucht e Antoni o auf . E r tru g keine n Arbeitskit tel wie die Mädchen, sondern ein dunkelblau gepunktetes Hemd und ein hellblaues Seidentuch um den Hals.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Können wir hier irgendwo ungestört miteinander reden?« fragte der Wachtmeister und drückte sich zur Seite, al s ein e Frau , de n Kop f i n pinkfarben e Handtücher gewic k elt, an ihm vorbeigeführt wurde.
»Ist was nicht in Ordnung? Wenn sich die Frau oben wieder beschwert hat, daß ich das ganze Wasser verbrau ch e ...«
»Nein, nein. Es geht um eine Ihrer Kundinnen, aber mir wär e e s lieber , wi r könnten...«
»Ach richtig! Signora Vogel!«
»Sie wissen schon davon?«
»Die Frau des Direktors vom Bellariva ist eine unserer Kundinnen. Sie war gestern da. Überhaupt war sie es, die der Signora Vogel mein Geschäft empfohlen hatte – Sekunde mal... Caterina! Ist Signora Fantozzi trocken?«
»Noch fünf Minuten!«
»Ic h ge h ma l kur z nac h hinte n – ... Nein, noch nicht spülen , di e Farb e brauch t noc h etw a zwe i Minuten . Nimm dir einen Kamm und arbeite an dem kleinen Mädchen weiter. Hier entlang... Wachtmeister, richtig? Ich habe kein Büro, aber vielleicht ist bei Marianna eine Kabine frei...«
Eine Maniküre, die gerade dabei war, die Hand einer ältere n Fra u i n ein e klein e Schal e z u tauchen , schaut e auf.
»Nummer zwei ist frei. Ich habe gerade das Wachs abgestellt.«
»Gut. Hier herein, Wachtmeister!«
Die Kabine war so winzig, daß für die beiden kaum Plat z wa r nebe n de r Liege , di e mi t eine r Bah n Papier bezogen war. Einem seltsamen Apparat in der Ecke ent strömt e ei n starke r Geruc h vo n heiße m Bienenwachs . Wie sic h herausstellte , wa r Antoni o zu m Glüc k vie l vernünfti ge r al s e r aussah , da s genau e Gegentei l de s Empfangschefs vo m Bellariva.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann«, hob er an.
»Indem Sie mir alles erzählen, was Sie über sie wissen. Wir wollen herausfinden, wie sie gelebt, mit wem sie verkehr t hat.«
»Hmm. Schwierig. Ich hielt sie für eine Einze l gängerin.«
»Keine Männer?«
»So, wie sie geredet hat, jedenfalls nicht.«
»Wie hat sie denn geredet?«
»Ironisch. Ich weiß nicht... etwas verbittert. Sie achtete au f ih r Äußeres . Si e wa r zu m Beispie l jed e Woch e hier , was Sie vermutlich schon wissen, aber ich erinnere mich, ein ma l ha t si e gesagt , da ß si e sic h manchma l fragt , waru m sie überhaup t diese s ganz e Theate r mach t – scherzhaft , verstehe n Sie ? – un d da ß si e dara n denkt , i n ei n Kloste r zu gehen , wen n e s nich t besse r würde . Si e ha t of t s o geredet.«
»Aber ohne den Grund dafür zu erklären?«
»Genau. Sie glauben nicht, was manche Frauen so er zählen . Abe r si e wa r ziemlic h verschlossen , nu r gelegent lich ließ sie ein paar seltsame Bemerkungen fallen, wie diese.«
»Wußten Sie, daß ihr ein Haus in der Nähe von Greve gehört?«
»Richtig , da s ha t si e mi r erzählt . Is t abe r scho n lange her , ic h hatt e e s fas t vergessen . Damal s überlegt e ich,
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