Tod im Herbst
Zerschneiden eines großen Steins in mehrere kleine entstand. Er war anscheinend erheblich , nich t selte n fas t fünfzi g Prozen t des Originalge wichts, doch in den meisten Fällen war es Becke r gelu n gen , da s Origina l unveränder t z u verkaufen, weil der Diebstahl noch nicht bemerkt worden war. Die Verkäufe hatte er den Unterlagen zufolge in Antwerpen getätigt.
Au f eine m separate n Blatt , eine m großen , doppel t gefal tete n Boge n mi t de n Umrisse n Europas , wa r ei n Aktions plan eingezeichnet. Städte, in denen ein Diebstahl stattfinden sollte, waren mit einem grünen Kreis und einer Zahl versehen . Nebe n de r Zah l ware n i n Schwar z di e Anfangs buchstaben der Komplizin eingetragen. Um die Buchsta be n nebe n Floren z un d Birmingha m wa r i n Bla u ei n Kreis gezogen. Becker hatte diesen Plan offenbar schon zu Beginn seiner Karriere entworfen, denn das Papier war ein wenig vergilbt und an den Faltstellen eingerissen und die Tint e wa r ausgeblichen , einschließlic h de r blaue n Kreise um die Anfangsbuchstaben. Die Ermordung der beiden Frauen war schon vor Jahren, fast bis auf die Minute, geplant worden. Ein drittes Buchstabenpaar, blau eingekreist, war neben Amsterdam eingetragen. Das mußte der Diamantschleifer gewesen sein, bei dem er das Handwerk gelernt hatte. Die übrigen Blätter waren eine Art Tagebuch, aber eines, das der Verfasser nicht für den eigenen Gebrauc h geschriebe n hatte , sonder n fü r ei n Publikum, für die Öffentlichkeit, auf die Becker nicht verzichten konnte . Sein e einzig e wirklich e Schwäche , abe r eine , di e er sehr gut zu beherrschen wußte.
I n Amsterda m hatt e e r notiert: Ic h hab e i n nich t einma l zwe i Jahre n gelernt , wofü r man normalerweise mindestens fünf Jahre braucht. Der Alte hat e s mi r heut e selbe r gesagt . E r ha t kein e Söhne , un d ich glaube , e r gib t sic h de r sentimentale n Hoffnun g hin , ich würd e bleibe n un d sei n Geschäf t übernehmen . Dies e Art vo n sentimentale m Wunschdenke n führ t dazu , da ß e r den wahre n Grun d meine s Hierseins , de n e r bestimm t kennt, nich t wahrhabe n will , s o wi e e r ih n anfänglic h au s Habgier nicht wahrhaben wollte. Er wird sich immer weiter etwas vormachen, bis zu dem Augenblick, da er »Selbstmord« begehen wird, weil er es eben so will. Wie immer fallt mir eine ganz und gar passive Rolle zu.
Über Hilde Vogel hieß es: H.’s Bemühungen, ihren Vater ausfindig zu machen, mußte ich ebenso unterstützen wie ihre Heirat mit C. Ihre Abhängigkeit von mir und ihre Unterwürfigkeit haben ihr zuerst noch Angst gemacht, und jeder Versuch, mit Zwang nachzuhelfen, hatte nur bewirkt, daß sie von mir wegge laufe n wäre . Jetz t ha t si e sic h mi t ihre r Situatio n abgefun den. Schwierig war nur der Zeitplan. U. ist in London, und wir können mit der Arbeit anfangen. Ohne H. wäre es schwierige r gewesen , nich t blo ß wege n de r Sprachen , son der n wei l kein e aufhöre n wird , solang e di e ander e noc h da ist . Fall s irgendetwas Unvorhergesehene s passier t un d die ein e sic h zurückziehe n sollte , könnt e di e ander e theoretisch anfangen , si e z u erpressen . Ic h hab e diese n Gedanke n ganz vorsichtig zur Sprache gebracht, gleichzeitig aber versichert, daß dergleichen nie vorkommen wird.
Und als das Unvorhergesehene passiert war: H. hat uns in eine gefährliche Situation gebracht. Sie glaubt jetzt, daß der Junge das Geld eingesteckt hat und damit verschwunden ist, jedenfalls will sie es so sehen. Morgen machen wir wie geplant weiter, da der Tod des Jungen keine Rolle spielt, im Gegensatz zu H.’s Tod, falls man sie identifiziert. Ein Monat Abstand sollte reichen. Hoffentlich erwartet mich in England bei meinem letzten Projek t nich t ei n ähnliche s Chaos.
Vermutlich hatte alles geklappt. Vermutlich wurde irgendein englischer Polizist, sobald diese Nachricht über Interpol einging, auf die Akte einer nicht identifizierten Tote n de n Name n Ursul a Jan z schreiben , di e Akt e schlie ßen und ins Archiv schicken.
S o wi e de r Hauptman n nunmeh r di e Akt e Vogel/Becker schließen konnte. Er starrte zum Fenster hinaus, ohne zu sehen, wie die Abendsonne die Steine des gegenüberliegenden Gebäudes in weiches, hellrotes Licht tauchte. Diese Geschichte mit der Ausländerin im Pelzmantel.
Das war die Formulierung, unter der man sich noch immer an den Fall erinnerte. Wahrscheinlich würde man dabei bleiben, auch nach dem großen Trara, das
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