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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Adreßbuch und versuchte gleichzeitig, ihre Gedanken zu sammeln. Erst hatte sie überlegt, ob sie, wenn sie allein im Zimmer waren, Svea fragen sollte, was sie meinte. Aber dann erkannte sie, wie gefährlich das wäre. Wenn Svea merkte, daß das, was sie über Wilhelm angedeutet hatte, gesessen hatte, dann würde sie nie aufhören, es zu benutzen. Ob wahr oder nicht, würde es doch eine unerwünschte Aufmerksamkeit auf etwas lenken, was in Vergessenheit bleiben sollte. Irgendwann würde sich irgend jemand fragen, ob nicht ein Körnchen Wahrheit dabei war, und dann würde die Sache ins Rollen kommen. Im Grunde war es weit hergeholt, die Beschuldigungen waren so unglaublich, daß sie fast lächerlich wirkten. Aber Mona wollte doch auf jeden Fall hören, ob er derselben Meinung war. Während des vergangenen Jahres waren in der Gemeinde von Eksta viele alte Wahrheiten zutage gefördert worden, da mußte man vorsichtig sein.
    Als die anderen aus dem Schwesternzimmer kamen, verschwand Mona nach unten in die Cafeteria. Sie steckte Geld in den Telefonautomaten, wählte seine Nummer und wartete. Das Fenster im Kiosk war geschlossen, aber es hätte Mona nicht verwundert, wenn die Kiosktante da drinnen in ihrem Kinodunkel saß und heimlich die Leute draußen beobachtete.

18
    Eine leichte Sommerbrise ließ die Spitzengardine flattern. Vor dem Fenster schien der Augustmond rund und gelb am samtblauen Himmel. Svea wälzte sich im Schlaf und seufzte. Die Kühle tat ihr gut, ebenso das erhöhte Kopfende. Da konnte sie so leicht atmen.
    Im Traum trug sie die Feiertagsuniform. Die fühlte sich gar nicht zu warm an, obwohl sie aus schwarzer Wolle war. Schwarze Wolle mit einer unendlichen Menge kleiner Knöpfe, die geknöpft werden mußten. Die weiße Schürze, die Manschetten und das Häubchen leuchteten in der Nacht, sauber und mit Kartoffelmehl gestärkt. Der Kragen, der mit Hilfe der Brosche festgesteckt war, saß etwas stramm. Ein karges Licht sickerte durch die geschlossenen Türen des Kachelofens und von der Kerze auf dem Sekretär her, und erhellte das von Schweiß glänzende Gesicht des Kranken. Svea goß aus der Porzellankanne Wasser in die Waschschüssel und tauchte ein Handtuch ein, um seine Stirn zu befeuchten. Der Krebs hatte sich ausgebreitet. Die Nacht wird er nicht mehr schaffen, hatte der Arzt gesagt, und Svea hielt das für wahrscheinlich. Die Zeichen waren da. Der Tod markiert die Seinen.
    Der kleine Wilhelm hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt. Er sollte über seinen Vater wachen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Jetzt schlief er, atmete ruhig und tief. Sofia war zur Mutter hinaufgegangen. Sie verbrachte nicht mehr Zeit bei dem Kranken als unbedingt nötig. Svea trocknete Oskars fieberheiße Stirn mit dem Handtuch. Er stöhnte bei der Berührung auf, und die Augenlider flatterten. Sein Blick irrte im Zimmer umher, bis er an dem Porträt am Fußende des Bettes hängenblieb.
    »Schlag mich nicht, Vater. Ich bitte dich um Verzeihung.«
    Oskar Jacobssons Stimme klang wie das Flüstern eines Kindes. Er wand sich in unsichtbaren Qualen, schützte sich wie vor einer Rute oder einem Lederriemen. Svea hatte das Gefühl, als wolle er mit seinen kraftlosen Beinen davonlaufen. Aber wie sollte das gehen wenn er es nicht einmal schaffte, ein Glas zum Mund zu führen? Er schluchzte wie ein Kind. Das Böse vererbt sich wie das Gute. Es war unmöglich zu sagen, ob die Pein von dem herrührte, was er getan oder was er erlebt hatte. Oskar versuchte, noch mehr zu sagen, und Svea beugte sich vor, um ihn hören zu können. Sein Atem roch nach Ammoniak. Der Angstschweiß. Und noch ein anderer Geruch, der des Todes, umschwebte sie und kroch in ihr Haar und ihre Kleider.
    Ganz unerwartet griff er mit seinen gekrümmten mageren Fingern nach ihr, zog sie zu sich und küßte sie. Seine Lippen waren ausgetrocknet und aufgesprungen, und die Bartstoppeln kratzten an ihrer Wange. Es war, als würde er ihr etwas Leben stehlen, einen Augenblick Zeit, noch eine Stunde. Sie konnte sich ohne Schwierigkeiten aus dem Griff seiner schwachen Hände befreien. Dann strich sie den Kuß des Todes von ihren Lippen und versuchte, die Abscheu, die sie empfand, zu verbergen, trocknete die Hände an der Schürze ab und befeuchtete das Handtuch wieder.
    Es knisterte hinter den Türen des Kachelofens. Wilhelm änderte seine Stellung auf dem Sofa und stöhnte. Die Kerzenflamme flackerte und wurde in seinem Haar und auf der Leinwand reflektiert,

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