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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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sogar die Unterwäsche.
    Sie wappnete sich gegen den Schmerz, ließ die Nadel durch die Haut gleiten und zog mit dem Faden die Wundränder zusammen. Der Schmerz barg auch eine gewisse Lust. In gewisser Hinsicht reduzierte er die Schuld. Wenn sie sich selbst bestrafte, dann würde das Schicksal nicht so hart zuschlagen. Durch den Schmerz würden Soll und Haben etwas ins Gleichgewicht kommen. Sie klebte ein paar Kompressen auf und zur Sicherheit einen aufsaugenden Verband. Erst hinterher fiel ihr ein, daß sie die Flasche mit dem Sterillium nicht angerührt hatte.

28
    Mona Jacobsson warf sich den verwaschenen Morgenmantel über und strich das nasse Haar glatt. Sie kam sich schmutzig vor, obwohl sie sich rot geschrubbt hatte. Nach der Dusche war immer noch ein Gefühl von Ekel da. Also wickelte sie ihre Selbstverachtung in ausgeblichenes Frottee und machte die Haustür auf, um die Post zu holen. Die Milchabrechnung war gekommen, aber wie sollte sie an das Geld gelangen? Um die Finanzen hatte sich immer Wilhelm gekümmert, er hatte alle Konten geführt. Gestern hatte Mona am späten Abend auf die EU-Formulare gestarrt, bis ihr die Augen tränten. Was war denn eine »Extensivierungsförderung«? Und die »Überwachung der Selbstkontrolle«? Die Maße der kleinsten Erdscholle mußten genauestens aufgeführt und auf der Karte eingetragen werden. Wilhelm hatte sich immer über das Landwirtschaftsamt in Jönköping beschwert, das waren »verwöhnte Jungs, die noch nie eine Mistgabel in der Hand gehabt und ein ehrenhaftes Tagwerk verrichtet hatten«. Die anzurufen wagte sie nicht.
    »Wirtschaftliche Unterstützung bringt Rentabilität«, pflegte er zu sagen. Aber wie sollte das gehen, wenn sie nicht wußte, wie man es anstellte? Ziffern und Buchstaben flossen zu einem einzigen unbegreiflichen Gewirr zusammen. Zum ersten Mal hatte sie sich Wilhelm zurückgewünscht.
    Im Briefkasten waren nur ein paar Werbesendungen, und Mona nahm zurück den Umweg über das Weideland, um nach der Kuh zu sehen, die kalben sollte. Klara stand immer noch ganz hinten in den Büschen. Wenn eine der anderen Kühe kam, zeigte sie ihnen ihre Breitseite, streckte den Hals und schnaubte sie an. Mona näherte sich vorsichtig und strich dem Tier über den Rücken. Die Geburtsarbeit war auf dem richtigen Weg, die Kuh hatte sich geöffnet. Wahrscheinlich war das Fruchtwasser schon abgegangen, doch leider sah man nur den einen Huf und das Maul des Kälbchens, denn es lag schief. Man würde das Kalb zurückdrücken müssen, so daß die beiden Vorderbeine als erstes herauskamen. Damit konnte nicht mehr gewartet werden, denn dann würde das Kalb festsitzen und sterben, und dabei würde man unter Umständen nicht einmal mehr die Kuh retten können. Wenn doch nur Wilhelm hier wäre.
    Mona hatte das noch nie getan, sondern immer nur zugeschaut. Sie krempelte die Ärmel hoch, zögerte kurz und steckte dann die Hand in das Warme und Nasse. Die Kuh brüllte und machte einen Schritt nach vorn. Der Ärmel ihres Morgenmantels war blutverschmiert. Sie konnte das Tier nicht richtig zu fassen kriegen, versuchte es wieder, doch das Kalb rutschte weg. Die Kuh stampfte und schnaubte. Mona war den Tränen nahe, schloß die Augen und fuhr mit dem ganzen Arm hinein. Sie wollte das hier nicht allein machen müssen, war aber dennoch gezwungen, schnell zu handeln. Einen Tierarzt zu rufen, den sie bar bezahlen müßte, konnte sie sich nicht leisten. Wo sollte sie denn das Geld hernehmen? Als sie kürzlich eine Kuh mit Geburtsschwierigkeiten hatten, mußten sie viermal den Tierarzt kommen lassen, damit er ihr Spritzen gab, das reinste Elend. Zwar hatten sie die Kuh retten können, aber die Rechnung hatte Wilhelm den Schlaf geraubt. Sie brauchte Hilfe.
    Wenig später stand Mona in ihrem hellrosa Morgenmantel mit blutigen Armen und einem Stück Seil in der Hand bei Henrik auf der Treppe. Das Haar, das im Wind getrocknet war, lag in dicken Strähnen über den Schultern. Hinter ihr nieselte es aus blaugrauen Wolken. Man konnte einen ersten Donnerschlag hören.
    Henrik öffnete und sah die Panik in ihren Augen.
    »Was ist denn, Mona? Gibt es etwas Neues von Wilhelm? Von der Polizei?«
    »Klara kalbt, und es gibt Probleme. Ich brauche Hilfe.«

    Hinterher, nachdem Mona das Kalb mit Heu abgerieben hatte und es von ihren Fingern, die sie in den Eimer mit der Rohmilch getaucht hatte, die Milch sog, verspürte sie eine großartige Erleichterung. Der Mutterkuchen, die Gabe der Natur für Raben

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