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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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saßen, bis die Tränen kamen. Der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf fuhr, als sie die Augen aufmachte, war, daß die Frau neben ihr eine weiße Hose trug, die jetzt schmutzig geworden war. Mona sah von ihrem lehmverschmierten Morgenmantel zu der nicht mehr sonderlich weißen Hose und entspannte sich etwas.
    »Sie wissen, warum wir gekommen sind?« fragte Maria.
    Mona nickte. »Wilhelm ist tot. Sie haben seine Leiche gefunden?«
    »Ja, so ist es. Sie sind ja ganz durchnäßt. Frieren Sie nicht?«
    »Doch.« Mona beeilte sich, die Bandage am Bein mit dem Morgenmantel zu bedecken. Sie war nicht sicher, ob die Polizistin sie schon bemerkt hatte oder nicht.

    Endlich konnte sie das Weinen herauslassen, die tagelang aufgestauten Gefühle. Jetzt gab es einen guten Grund. In Decken und Tücher eingewickelt, mit einer Tasse dampfendem Kaffe in den Händen, kehrten Leben und Gedanken zurück. Der zweifelhafte Genuß, einmal Gegenstand respektvollen Mitleids und der Fürsorge zu sein, berauschte sie. Sie konnte von diesem angenehmen Zustand gar nicht genug bekommen. Die Polizistin hatte sich als Maria Wern vorgestellt. Ihre Hände waren so weich, und Wohlwollen durchströmte jede ihrer Gesten. Wenn sie gewußt hätte … wenn sie von ihrer Schuld gewußt hätte … Was sie sah, war eine trauernde, respektable Witwe. Mona fing an, die Hauptrolle in ihrem eigenen Theaterstück zu beneiden. Wenn sie doch nur die Person wäre, die Maria Wern vor sich zu haben glaubte. Über jeden Zweifel erhaben. Welch eine Ehre, welch eine Erhebung zur Reinheit!
    Voller Inspiration gab sie Olovs philosophische Ausführungen über Leben und Tod wieder. Da waren sie aber erstaunt. Das trieb ihnen die Tränen in die Augen. Es war ein großer Genuß, ihre Gefühle manipulieren zu können und Verständnis und Respekt als stillen Beifall entgegenzunehmen.
    »Sollen wir Ihnen helfen, jemanden anzurufen, der kommen und bei Ihnen bleiben könnte?«
    »Meine Söhne. Ja. Und Wilhelms Schwester Sofia muß es erfahren. Sie wohnt im Strandhäuschen am Fischereianleger in Eksta.« Monas Augen füllten sich wieder mit Tränen und liefen über. »Ich schaffe es nicht, mit ihnen zu reden.«
    Wie bei einem Theaterstück, bei dem sie selbst die Hälfte des Dialogs ergänzen mußte, hörte Mona der Polizistin zu, als sie telefonierte. Zunächst mit Christoffer, das entnahm sie Maria Werns Verlegenheit, bis er endlich aufhörte, Witze zu machen, und dem schnellen Wortwechsel, der dann folgte. Das Gespräch mit Olov war entschieden strukturierter. Er würde sofort kommen.
    »Hat Ihre Schwägerin ein Handy?« Mona mußte nicht lange nachdenken. Sofia war viermal an ihr Handy gegangen, als sie zu zweit am Küchentisch saßen und miteinander redeten. Sofia hatte den neuesten Tratsch aus dem Dorf hören wollen, ehe sie sich in das Strandhäuschen begab. Viermal hatte sie dabei deutlich gezeigt, daß das Gespräch mit Mona weniger wichtig war als das mit einem Telefonverkäufer, einem Kollegen, der aus dem Urlaub anrief, und jemandem, der sich verwählt hatte. Das war nichts Neues, sondern einfach nur erniedrigend, wenn man wieder und wieder hintangestellt wurde.
    »Aber ich weiß die Nummer nicht«, sagte Mona.
    »Ich bleibe hier bei Ihnen, bis Ihr Sohn kommt. Hartman fährt runter und überbringt Ihrer Schwägerin die Nachricht.«
    Mona war mit dieser Arbeitsverteilung sehr zufrieden.

    Tomas Hartman schlug die Autotür zu und holte tief Atem. Die Luft in Mona Jacobssons Küche hatte ihm die Kehle zugeschnürt. Es war eine Erleichterung, sich ins Auto setzen zu können. Er wußte nicht, was die Begegnung mit Wilhelms Schwester bereithielt, aber das konnte kaum schlimmer werden als das Zusammentreffen mit der Witwe. Einen kleinen Augenblick lang hatte er befürchtet, daß Mona Jacobsson völlig den Bezug zur Wirklichkeit verlieren würde. Er hatte ihre Gedanken bis an die äußersten Abgründe, wo er seine eigenen Überlegungen über den Sinn von Leben und Tod aufgegeben hatte, mit gehörigem Abstand verfolgt.
    Der Wind peitschte die bleigrauen Wellen an den Steg. Das dumpfe Donnern des Gewitters war jetzt immer weiter entfernt über dem Meer zu hören. Am Ufer beugten sich die windgepeitschten Krüppelkiefern und wanden sich wie in Qualen. Das erste, was seinen Blick fing, als er über den Hof ging, war der bunte Flickenteppich, der schwer und naß im Regen hing. Hartman klappte den Mantelkragen hoch und steuerte auf das Strandhäuschen zu, wo ein sanfter Schein

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