Tod im Moseltal
Darlehensvergabe. Seit einem Jahr ist er stellvertretender Leiter in der Abteilung Deutschland – Infrastruktur, Energie und Förderbanken‹. Was die Person Dennis Mazzomaid im Übrigen betrifft, muss ich dich leider enttäuschen. Er ist absolut sauber. Noch nicht einmal mit einem Verkehrsdelikt ist er bei uns registriert. Er zahlt brav Steuern und Miete, ist Mitglied im Lions Club und macht Karriere bei einer europäischen Institution. Und dass er in einem angesehenen Verein für Kickboxen ist, macht ihn auch nicht verdächtig. Wie kommt ihr überhaupt auf Mazzomaid?«
»Steyn hat Mazzomaid während ihrer gemeinsamen Schulzeit offenbar regelrecht fertiggemacht, wie übrigens auch andere Mitschüler.« Buhle überlegte kurz. »Du hast Mazzomaid noch nicht versucht zu erreichen, oder?«
Ducard schaute ihn verblüfft an. »Natürlich nicht.«
»Soweit wir wissen, hat er sich mit unbestimmtem Ziel in den Jahresurlaub verabschiedet, und zwar seit dem Freitag vor dem Mord. Können wir bei ihm zu Hause vorbeifahren?«
»Christian, wir haben nichts gegen ihn vorliegen. Er ist nach der Aktenlage ein durchaus ehrenwerter Bürger unseres kleinen Luxemburgs. Was erhoffst du dir davon?«
»Einen Eindruck.«
Die Luft, die Ducard ausatmete, kam bei Buhle wie eine steife Brise an. »Na gut«, sagte er schließlich. »Wir fahren langsam vorbei, steigen aber nicht aus. Dann kannst du dir einen Eindruck von einer guten Wohnlage in unserer Stadt machen. Zuerst erzähle ich dir aber noch, was ich über das Ehepaar Glesener in Erfahrung gebracht habe. Ich mache es kurz. Sie gehören zur High Society unseres Großherzogtums, sind auf allen großen Empfängen gesetzte Gäste. Sie erscheint etwas extravagant, wie du ja gemerkt hast. Er ist mehr der gutmütige Typ und sehr beliebt. Ich konnte keinen Grund finden, warum Madame Glesener dir etwas Böses hätte antun wollen, mein Freund.«
»Hat sie aber. Henri, das war inszeniert. Da wollte jemand, dass ich aus dem Ermittlerteam rausfliege. Warum sollte sie mir sonst so etwas unterstellen?«
»Vielleicht hatte sie tatsächlich den Eindruck, du wolltest ihr gleich ins Dekolleté springen. Ich habe Fotos von ihr bei besonderen Anlässen gesehen. Es ist bestimmt schwer, da vorbeizuschauen, nicht wahr? Außerdem hat sie doch zugegeben, überreagiert zu haben, hast du selbst gesagt.«
»Natürlich ist das möglich, so war es aber nicht, da bin ich mir sicher. Was für eine Aussage wollte sie denn bei mir machen? Ich weiß es bis heute nicht.«
»Gut, ich habe jedenfalls keine Anhaltspunkte gefunden, die auf dunkle Flecken hinweisen, bei keinem der drei.«
»Okay, vielen Dank für deine Mühen. Fahren wir jetzt zu Mazzomaids Wohnung?«
Als Antwort nahm Ducard seinen Schlüsselbund und stand auf. Überzeugt sah er dabei nicht aus.
Mazzomaid wohnte im Stadtteil Limpertsberg nur etwa einen Kilometer Luftlinie von seiner Arbeitsstelle auf dem Kirchberg entfernt. Wegen des Talzugs zwischen der Rue Ignace de la Fontaine und der Europäischen Investitionsbank am Boulevard Konrad Adenauer musste er allerdings fast das Dreifache der Strecke als Arbeitsweg zurücklegen.
Ducard fuhr langsam die Straße entlang. In dem Haus, in dem Mazzomaid gemeldet war, waren in einer Wohnung im ersten Geschoss die Jalousien heruntergelassen.
Buhle zeigte auf die Fenster. »Wohnt er hier?«
»Ist anzunehmen.« Ducard sah Buhle seine Unzufriedenheit über diese lapidare Antwort offensichtlich an. Er setzte den Wagen ein Stück zurück. »Gut, ich schaue nach.« Noch bevor er wieder am Auto angelangt war, signalisierte Ducard ihm mit emporgehobenen Daumen, dass ihre Vermutung richtig war. »Sein Name ist in der Mitte der Klingelleiste«, sagte er und ließ den Wagen wieder an.
Wenn Mazzomaid keine Zimmerpflanzen hatte, und das unterstellte Buhle einem alleinstehenden Banker auf der Karriereleiter, dann sprach nichts gegen den vorgegebenen Urlaub. Sie fuhren weiter. Nach etwa hundert Metern bemerkte Buhle einen Pkw auf der anderen Straßenseite, der mit dem farbenfrohen Herbstlaub der Alleebäume übersät war.
»Fährt Mazzomaid einen BMW?«
»Ich muss im Büro nachfragen«, seufzte Ducard. Während er nach einer Gelegenheit zum Wenden suchte, telefonierte er über die Freisprechanlage mit einer Kollegin. Der BMW war tatsächlich auf Mazzomaid zugelassen.
»Wenn er im Urlaub ist, dann also nicht mit seinem Auto«, stellte Buhle fest.
Sie standen jetzt neben dem BMW. Buhle stieg aus und schaute durch die
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