Tod im Moseltal
durchwühlten Jackentasche gefunden und Klaus Menzel die Nummer durchgegeben hatte, wollte sich der Anwalt umgehend mit der Polizei in Verbindung setzen. Dass Thomas nun rechtlichen Beistand hatte, war eine weitere Hilfe für sie. Sie verabschiedete sich von Peter Kasper und eilte die gut vierhundert Meter zum Auto.
Wegen des Feiertags waren die Straßen fast frei, und Marie kam über den Alleenring rasch zur »Bitburger«. Die B51 war im Berufsverkehr das Nadelöhr auf dem Weg zwischen Eifel und Moseltal, nun konnte Marie die kurvenreiche und unfallträchtige Straße zügig hinauffahren.
Marie überlegte: Sie waren seit Juliettes Geburtstag Ende April nicht mehr in dem Haus am Hüttenberg gewesen. In der Zeit, als sie mit Mattis schwanger gewesen war, hatten ihre Schwiegereltern ihnen eröffnet, dass sie in ein kleineres Haus umziehen wollten. Philipp hatte im zehn Kilometer entfernten Trierweiler ein nettes Baugrundstück am Ortsrand gefunden und sofort mitsamt der dahinterliegenden Streuobstwiese und einem Teil des Wäldchens gekauft. Sie hatten Tom und ihr das Haus in Avelsbach zur Miete angeboten. Marie war damals schon bewusst gewesen, dass das allein auf den Wunsch von Juliette zurückging. Aber das war ihnen egal gewesen. Zunächst schien das ein Schritt in Richtung Versöhnung von Vater und Sohn zu sein. Thomas hatte sich bemüht, bei der Planung des neuen Hauses mitzuhelfen, hatte das Angebot seiner Eltern bezüglich ihres eigenen neuen Heimes in Avelsbach akzeptiert, und auch Philipp hatte sich ungeahnt kompromissbereit gezeigt. In den ersten Jahren waren sie mit den Kindern noch gerne auf die andere Seite der Mosel zu Besuch gekommen, vor allem Juliette hatte sich rührend um Mattis und Nora gekümmert. So waren alle froh gewesen mit der Entscheidung. Alle bis auf Michelle, Toms Schwester, die sich benachteiligt fühlte.
Schwierig war es erst wieder geworden, als Thomas in seiner Firma die Leitung der Auslandsgeschäfte übernahm und er Philipp deutlich machte, dass er hier seine Zukunft sah und nicht im väterlichen Betrieb. Marie selbst war zu der Zeit viel zu sehr mit sich beschäftigt gewesen. Mit zwei Kindern, zwischen den Geburten Diplomarbeit, danach Promotion und einem Mann, der es vorzog, in den Wilden Westen oder Nahen Osten zu reisen, blieb nicht viel Zeit für andere Dinge. Damals hatte sie sich mit Juliette und Claudille auf einer Wanderung durchs Müllerthal über die Situation unterhalten. Offenbar hatte nur sie selbst nicht geahnt, dass Philipp trotz der Zerwürfnisse mit seinem Sohn immer gehofft hatte, Thomas würde seinen Betrieb weiterführen.
Die Firma war für Philipp von Steyn immer der Lebensinhalt gewesen. Als Flüchtlingskind ostpreußischer Eltern in Friedland geboren, war er in den ersten Jahren mit seinen Eltern vornehmlich durch den Westen Deutschlands vagabundiert. Nach seinem Maschinenbaustudium hatte er sich noch ein paar Jahre als Angestellter einer Firma im Saarland gedulden müssen, bis sich der Niedergang eines Konkurrenten im rheinland-pfälzischen Konz andeutete und er mit nur vierundzwanzig Jahren den maroden Betrieb übernahm. Böse Zungen behaupteten damals, er habe den Konkurs mit gezielten Aktionen beschleunigt. Doch letztendlich hatte es nach dieser Übernahme fast nur Gewinner gegeben. Nach anfänglichen Entlassungen waren zwei Jahre später fast alle ehemaligen Mitarbeiter in Konz wieder in Arbeit, und die Zahl der Beschäftigten wuchs kontinuierlich. Der größte Wurf gelang Philipp ein Jahr später auf einer Messe im nahe gelegenen Luxemburg, wo er das erste Mal selbst entwickelte Produkte ausstellte. Hier lernte er die blutjunge Juliette Laurant kennen, verliebte sich, und so schnell, wie sein Leben stets verlief, heirateten beide nur zehn Monate später: einen Tag nach Juliettes achtzehntem Geburtstag.
Marie hatte die Lebensgeschichte ihres Schwiegervaters heimlich stets bewundert. Er war nicht nur erfolgreich, er hatte durchaus soziale Ideale, zu denen sich später auch Ambitionen hinsichtlich des Umweltschutzes gesellten, als er seine Firma immer weiter zu einer der führenden Adressen für energiesparende Anlagen und regenerative Energien entwickelte. Bis er schließlich seinen letzten großen Schritt wagte und seine neue Firma »Sunstorm Energy« im noch jungen Industriepark der Region Trier in Föhren ansiedelte. Doch der Schatten, der schon immer über Philipp und Thomas lag, hatte auch Marie vereinnahmt, zumal Philipp für Psychologie nicht
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