Tod im Schärengarten
irgendwie geschafft hat, in die Vorpiek zu schleichen und Juliander zu erschießen, ohne dass die anderen an Bord etwas davon mitbekamen?«
Margit folgte seinem Gedankengang.
»Wir sind ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Gruppe die ganze Zeit zusammen war. Aber es kommt ja vor, dass Zeugen sich gegenseitig beeinflussen und dann meinen, sie hätten alle dasselbe gesehen. Vielleicht war das hier auch so.«
»In dem Fall könnte von Hahnes Alibi wackeln.«
Thomas setzte sich wieder hin und lehnte sich zurück. Er ließ das vergrößerte Foto nicht aus den Augen.
»Wir sollten ihn festnehmen«, sagte er.
»Dafür ist die Beweislage viel zu dünn«, widersprach Öhman.»Darf ich daran erinnern, dass ich dem Untersuchungsrichter innerhalb von zweiundsiebzig Stunden eine Haftbegründung vorlegen muss? Wir haben nicht genug gegen ihn vorliegen.«
Widerwillig sah Thomas ein, dass sie recht hatte.
Wenn sie von Hahne festnahmen, aber nach drei Tagen wieder laufen lassen mussten, weil sie keinen Haftbefehl für ihn bekamen, würden sie wie die Idioten dastehen. Außerdem würde es einen Riesenwirbel geben, nicht zuletzt in der Presse, wenn sie den künftigen Vorsitzenden des KSSS ohne hinreichende Beweise einsperrten.
»Können wir dann wenigstens die Hausdurchsuchung machen?«, drängte Thomas. »Ich glaube wirklich, dass wir ihn auf diesem Wege knacken können. Wir sollten uns auch die Familie vorknöpfen.«
Charlotte Öhman schien noch zu zögern, aber dann traf sie eine Entscheidung.
»Warten wir erst mal ab, was Sie auf dem Rechner finden«, sagte sie. »Es tut mir leid, aber Sie müssen mir schon etwas mehr liefern.«
Damit war die Sitzung beendet.
»Svante Severin.«
Der Makler meldete sich schon nach dem ersten Klingeln. Vielleicht hatte er die Telefonnummer wiedererkannt. Alle Nummern auf Sandhamn begannen mit denselben fünf Ziffern.
»Linde«, sagte Nora kurz. Nur keine Zeit mit unnötigem Geschwätz vergeuden. Sie hatte eine Mitteilung zu machen.
»Das ist ja schön«, begann Svante Severin.
Bevor er noch mehr sagen konnte, sprach Nora weiter.
»Ich rufe an, um Ihnen zu sagen, dass die Brand’sche Villa nicht zum Verkauf steht. Wir behalten das Haus.«
»Aber, aber …«, stotterte Severin.
Seine Enttäuschung war so offensichtlich, dass Nora sie beinahe körperlich spürte.
»Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?«, fragte er schließlich.
Für einen winzigen Moment bekam Nora ein schlechtes Gewissen. Aber dann öffnete sie resolut den Mund, um das Gespräch zu Ende zu bringen.
»Tut mir leid«, sagte sie kurz angebunden. »Aber wir waren unsinnerhalb der Familie nie ganz einig darüber. Jedenfalls ist das Haus nicht zu verkaufen. Auch in Zukunft nicht.«
Sie verabschiedete sich rasch und legte auf.
So einfach war das also. Und sie hatte sich so davor gefürchtet, hatte die halbe Nacht wach gelegen und sich Gedanken gemacht, wie das Gespräch wohl verlaufen würde.
Verwundert stellte sie fest, dass sie sich erleichtert fühlte. Obwohl Henrik am Abend nach Hause kommen würde und sie ihre Entscheidung, das Haus zu behalten, nicht mit ihm besprochen hatte.
Es war auf einmal so selbstverständlich gewesen, was sie tun sollte. Sie war nicht länger bereit, in dieser Frage auf ihn zu hören.
Sie würde die Brand’sche Villa behalten, mit oder ohne Henriks Zustimmung.
Ende der Diskussion.
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Kapitel 81
Die Polizeistation war wie ausgestorben. Thomas stand ganz allein im Flur. Die anderen waren bereits nach Hause gegangen und auch er hätte längst Feierabend machen sollen. Aber er hatte so viel Zeit verloren, als er krank im Bett lag. Er hatte einfach das Bedürfnis, sich einen Überblick zu verschaffen, seine Gedanken zu ordnen und in aller Ruhe das gesammelte Material durchzugehen.
Außerdem musste er noch eine Menge Papierkram erledigen. Er hatte seinen Berg Post seit einer Ewigkeit nicht angefasst.
Seufzend ging er zu dem großen Regal mit den Postfächern neben dem Eingang. Er leerte sein Fach und klemmte sich den Stapel unter den Arm.
Im Vorübergehen bediente er sich aus der Pralinenschachtel, die eine freundliche Seele neben den Kaffeeautomaten gestellt hatte. Sicher Carina, sie war immer so fürsorglich.
Sofort meldeten sich Schuldgefühle.
Er hatte sie seit dem Abend, an dem sie gestritten hatten, nicht mehr unter vier Augen gesehen. Das war eine ganze Weile her. Die Zeit war wie im Flug vergangen, nicht zuletzt wegen seiner Erkältung. Außerdem
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