Tod im Schärengarten
sorglos.
»Sie schießen Wildschweine. Das darf man das ganze Jahr über. Sie machen das aus alter Tradition. Tagsüber Jagd und abends Krebsfest.«
»Wann sind sie weggefahren?«, fragte Thomas.
»Gestern. Sie kommen Sonntag zurück.«
»Sind noch andere vom KSSS – Vorstand dabei?«
»Klar. Die Clique hängt doch andauernd zusammen rum.«
Thomas runzelte die Stirn. Margit konnte seine Besorgnis verstehen.
Ein Mörder mit einem Gewehr im Wald, das versprach nichts Gutes. Wer war diesmal an der Reihe?
»Weißt du, wo Bjärrings Landhaus liegt? Hast du vielleicht die Adresse oder die Telefonnummer?«, fragte sie rasch.
Emma schüttelte erst den Kopf, aber dann leuchtete ihr Gesicht auf.
»Ich kann im Arbeitszimmer nachsehen, wenn Sie wollen. In Mamas Adressbuch. Ich war ja selbst schon unheimlich oft da, aber ich weiß leider nicht, wie der Ort heißt.«
»Ja, mach das bitte.«
Sie verschwand, während Thomas und Margit in der großen Diele warteten.
Es war eine typische Östermalm-Wohnung. Hohe Decken, schöne Spiegeltüren. Elegante Lampen und unzählige Gemälde in schweren Goldrahmen an den Wänden erinnerten daran, dass sie sich in der Wohnung eines Kunsthändlers befanden.
Rechts von der Diele ging ein Raum ab, der die Bibliothek zu sein schien. Vor wandhohen Bücherregalen standen schwere, ochsenblutrote Ledersessel. Auf dem Fußboden lag ein orientalischer Teppich in warmen Rottönen.
Margit ließ den Blick durch die Diele schweifen. Gegenüber der Eingangstür befand sich ein offener Kamin. Auf dem Kaminsims stand eine silberne Schale voller Einladungskarten, die meisten aus dickem Papier mit gedruckten Goldbuchstaben.
Nach einigen Minuten kam Emma mit einem handgeschriebenen Zettel zurück, den sie Thomas gab.
»Hier, bitte. Das ist die Adresse.«
»Vielen Dank«, sagte Thomas, drehte sich um und wollte gehen.
»Entschuldigen Sie, wenn ich frage«, sagte Emma, »aber es ist doch nicht schon wieder was passiert?« Sie blickte Thomas und Margit unsicher an. »Weil es so viel war in der letzten Zeit, meine ich …«
Margit versuchte, beruhigend zu lächeln.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie und hörte selbst, wie geheuchelt das klang. Eigentlich müsste das Mädchen jetzt erst recht Unheil wittern. »Wir brauchen nur ein paar Auskünfte von deinen Eltern. Das ist alles.«
Offenbar hatte ihre Stimme nichts verraten, denn Emma lächelte artig zurück und erklärte, sie habe nur sicherheitshalber gefragt. Dann schloss sie die Tür hinter ihnen mit einem fröhlichen »Tschüs«.
Thomas schaute besorgt auf die Uhr. Bis Katrineholm würden sie gut anderthalb Stunden brauchen, und wenn sie im morgendlichen Berufsverkehr stecken blieben, noch länger.
Genug Zeit, um ein weiteres Vorstandsmitglied des KSSS zur Strecke zu bringen. Genug Zeit, um ihre bisherige erfolglose Arbeit lächerlich zu machen.
»Sollen wir die Kollegen vor Ort alarmieren?«, fragte Margit.
Thomas schüttelte den Kopf. Das ging ihm gegen den Strich.
»Wir fahren hin. Jetzt bringen wir die Sache selbst zu Ende.«
Thomas fuhr so schnell, wie er gerade noch verantworten konnte, sich qualvoll jeder Minute bewusst, die verstrich. Rauf auf den Essingeleden, vorbei an Kungens kurva, Huddinge, Södertälje, Nyköping, die ganze Zeit auf der linken Autobahnspur.
Margit kaute schweigend ein Kaugummi nach dem anderen. Immer wieder warf sie einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Einen weiteren Todesfall durfte es nicht geben. Diesmal mussten sie ihm zuvorkommen.
Sie verließen die Schnellstraße und fuhren auf der Landstraße weiter, bis sie das Schild sahen, das die Zufahrt als Privatstraße auswies. Eine von Eichen gesäumte Allee führte sie zu dem großen Haus.
Bjärrings Landsitz war ein alter Bauernhof aus dem neunzehnten Jahrhundert. Das gelbe Haupthaus war aus Holz mit weißen Eckpfosten und weißen Fensterrahmen. Die Quergebäude zu beiden Seiten waren in denselben Farben gestrichen.
Thomas parkte den Wagen auf dem runden Kiesplatz vor dem Haupthaus. Rasch gingen sie zum Eingang und klingelten. Aus dem Inneren des Hauses hörten sie ein altmodisches Läuten.
Nichts geschah.
Thomas drückte wieder auf den Klingelknopf. Nach etlichen Minuten wurde die Tür von einer älteren Frau in weißer Schürze geöffnet.
»Ja bitte?« Sie sah die beiden Besucher fragend an.
»Polizei, guten Tag. Wir sind auf der Suche nach Gästen, die bei Ihnen wohnen. Sie heißen von Hahne«, sagte Thomas und zeigte ihr seinen
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