Tod im Sommerhaus
auch keine Wirkung hatte, außer dass es ihn in schlechte Laune versetzte.
»Weshalb machen wir das überhaupt, Lasse?«, fragte er plötzlich. »Warum stochern wir in dieser Angelegenheit herum?
Das ist doch wirklich keine Sache, mit der du dich nebenher beschäftigen solltest. Wahrscheinlich gibt es wahnsinnigen Ärger, wenn es rauskommt.«
»Warum denn? Ich sagte doch schon, dass diese alte Geschichte mit Lindberg - ja, einiges schien mir da noch offen zu sein …«
»Das genügt nicht«, unterbrach ihn Nielsen.
Lasse Henning warf ihm einen irritierten Blick zu.
»Ich bin eben neugierig! Klingt das besser?«
Nielsen nickte.
»Auf jeden Fall ehrlicher. Dir ist also langweilig. Hättest du stattdessen nicht anfangen können, Golf zu spielen?«
Es dämmerte. Die Luft hatte sich abgekühlt. Nielsen vertrat sich die Beine und starrte zu den Lichtern auf der Autobahn und dem fernen Skärholmen hinüber.
»Und Eva und du, ihr habt überhaupt keinen Kontakt mehr?«
Lasse Henning schüttelte den Kopf.
»Seit der Scheidung kaum mehr. Sieben Jahre ist das nun her, und damals herrschte Krieg. Der dauert noch an. Auch wenn er jetzt kälter ist. Eiskalt. Du weißt schon.«
Nielsen nickte. Er wusste Bescheid. Anfang der Neunziger hatte Lasse Henning umgesattelt. Er hatte sich beurlauben lassen und Jura studiert. Anschließend hatte man ihn gefragt, ob er nicht beim Dezernat für Wirtschaftskriminalität anfangen wolle.
Er hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber schließlich zugesagt und war sechs Jahre geblieben. Dann hatte er sich bei der neu gegründeten Behörde für Wirtschaftskriminalität beworben. In dieser Zeit hatte er Gisela kennen gelernt und war aus der Ehe mit Eva ausgebrochen. Die beiden waren fünfzehn Jahre lang verheiratet gewesen, und ihre Söhne waren zehn und zwölf Jahre alt. Die Trennung hatte ihm Eva nie verziehen.
»Man sollte meinen, dass sich die Wellen mal hätten glätten müssen«, sagte Lasse Henning seufzend. »Nach all den Jahren.
Es wäre nett, wenn man sich mal wieder sehen könnte.
Schließlich verbindet uns immer noch einiges.«
Er sah Nielsen an, als suche er bei ihm Bestätigung. Aber dieser wandte mit einem Achselzucken den Blick ab.
Er kannte Eva fast genauso lange wie Lasse. Er hatte ihre Kinder heranwachsen sehen. Aber das war Teil der
Vergangenheit, und er hatte keine Lust, unaufrichtige Worte des Bedauerns zu äußern oder Partei zu ergreifen.
»Vielleicht. Aber so läuft es vermutlich nicht immer.«
Er betrachtete das breite, etwas rötliche Gesicht seines Gegenübers. Sein graublondes, zurückgekämmtes Haar war feucht von Schweiß. Er war gealtert. Seine Gesichtshaut war faltiger geworden, und die Wangen waren weniger straff. Sein Haaransatz war deutlich nach hinten gewandert. Die Lachfältchen um Augen und Mund waren tiefer geworden und schienen keine Freude mehr auszudrücken. Eher Überdruss, vielleicht sogar Bitterkeit.
Vielleicht war das ja auch die Erklärung dafür, dass sie hier saßen und etwas durchkauten, wovon sie besser die Finger gelassen hätten. Sie wollten die Uhr zurückdrehen oder sich einfach nur die Zeit vertreiben.
»Lindberg«, begann er. »Erzähl mir, was du über ihn weißt, vor dieser Geschichte mit dem Überfall.«
Lasse Henning wurde wieder munter. Er rieb sich die Hände und dachte einen Augenblick nach.
»Er stammt aus der Gegend von Söderhamn, aber seine Eltern sind nach Gävle gezogen, als er noch recht klein war. Er ist dort aufgewachsen, später auch an mehreren Orten der Mälarregion.
Seine Eltern leben nicht mehr, und er hat keine Geschwister.
Auch als Erwachsener ist er wiederholte Male umgezogen, hat ein paar Jahre in Malmö gewohnt, in Göteborg, zweimal auch in Stockholm. In Gävle wohnt er jetzt wieder seit zwei Jahren. Er hat keinerlei Ausbildung vorzuweisen. Meist war er nur kürzere Zeit irgendwo beschäftigt. In der Krankenpflege. Bei der Post.
Aushilfe im Restaurant. Wenn er überhaupt gearbeitet hat, versteht sich. Die meiste Zeit hat er einfach in den Tag hineingelebt oder schwarz gearbeitet. Die letzten zehn Jahre, seit dem Überfall, war er auch oft krankgeschrieben.«
»Vorstrafen?«, fragte Nielsen.
»Er wurde ein einziges Mal verurteilt und zwar in den achtziger Jahren, als er in Malmö gewohnt hat. Einbruch in ein Einfamilienhaus. Damals habe ich ihn natürlich auch dazu befragt. Er hat nicht versucht, sich herauszureden, hat nur gemeint, dass er verdammt dumm gewesen sei. Und
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