Tod im Tauerntunnel
die Würmer aus der Nase ziehen muß, der weiß, was ein Reporter haben will... Nichts ist dann zu spüren von seinen Depressionen, seinen Selbstzweifeln und seiner Unduldsamkeit. Dann brilliert er: von Kopf bis Fuß der Nesenbach-Maigret.
Aber jetzt ist er sauer, und im Präsidium läßt er es alle spüren. Den Gruß der Sekretärin erwidert er nicht, Gächter brummt er nur an, Haußmann, der sich schon erwartungsvoll bereithält, fertigt er ab - »Ich ruf Sie, sobald ich Zeit hab!« -, und als Gächter ihm vorsichtig mitteilt, der Chef wolle ihn sprechen, sagt er patzig: »Der kann auch mal warten.«
Gächter läßt ihn allein. Er geht in die Kantine, um Kaffee zu besorgen.
Bienzle sitzt in seinem Drehsessel und starrt an die Wand. Er sagt sich, daß er eigentlich überhaupt keinen Grund hat, sauer zu sein, und das regt ihn noch mehr auf.
Gächter kommt mit zwei Kaffeetassen und stellt Bienzle eine davon auf die Schreibunterlage. Dann setzt er sich wieder vor seinen Schreibtisch und beginnt Notizen zu machen.
Bienzle nimmt den Hörer von der Gabel und legt ihn wieder auf. Er zieht eine Akte zu sich her und schiebt sie wieder von sich. Geistesabwesend trinkt er den Kaffee und murrt: »Das ischt koi Kaffee, das ischt Muckefuck.«
Gächter beachtet ihn nicht.
Nach zehn Minuten endlich steht Bienzle schwerfällig auf und sagt: »Ich bin beim Chef.«
Direktor Hauser, jovial wie immer, bietet Bienzle den bequemen Sessel in der kleinen Sitzecke an, aber der brummt: »Ich steh lieber.«
»Welche Laus ischt denn dir über d' Leber glaufa?« fragt Bienzles alter Schulfreund.
»Wer hat angeordnet, daß die Presse unterrichtet wird?«
»Ach, das isch dei Problem? Unser Pressereferent wollte eben auch einmal selbständig was machen.«
»Der kann von mir aus selbständig Zeitungsausschnitte abheften, aber er soll sich net in meine Fäll einmischa.«
Hauser runzelt die Stirn: »Jetzt langt's aber, Ernst.«
Darauf folgt ein minutenlanges Schweigen.
Dann preßt Bienzle ein »Entschuldigung« heraus und will gehen.
»Moment«, sagt Hauser; »würde es dir etwas ausmachen, mich über die bisherige Entwicklung zu unterrichten?«
Bienzle unterdrückt es, zu sagen »Liest du keine Zeitung?«, und setzt sich nun doch in den Sessel.
»Es ist schwierig«, sagt er und findet endgültig zu seinem Amtsdeutsch zurück; »wir kommen zwar vorwärts, sozusagen an der Peripherie. Im zweiten und dritten Glied haben wir nahezu einen kompletten Erfolg. Max Grüner ist gefaßt, und es besteht kaum ein Zweifel, daß er Hannelore Schmiedinger...« Plötzlich verstummt Bienzle.
»Ja, weiter«, sagt Hauser.
»Also er hat auf sie geschossen, und daß der Überfall auf die Korbut auch auf seine Kosten geht, dürfte klar sein. Aber er ist ein bezahlter Schläger und Killer. Wahrscheinlich bekommt er seine Aufträge von Fontana, aber da wissen wir noch nichts Genaues. Und selbst wenn wir das beweisen können, wissen wir noch immer nicht, wer die eigentlichen Hinterleute sind. Dieser Rechtsanwalt Bäuerle und seine Schwester, die verwitwete Jarosewitch, spielen auch irgendwelche Rollen. Aber bevor ich da nichts Genaueres weiß, möchte ich an die nicht ran... Ich hab das Gefühl, daß uns in diesem Fall jeder Teilerfolg eher vom Kern wegführt, als daß er uns einer Lösung näherbringt.«
Hauser sieht Bienzle nachdenklich an. Er kennt diese Situation. Der Kommissar verfällt regelmäßig in eine Art Depression, wenn er die ersten Etappen eines Falles hinter sich gebracht hat und den endgültigen Erfolg doch noch nicht zu greifen vermag.
»Grüner hat gestanden«, sagt er.
»Ach ja?« sagt Bienzle ohne Begeisterung.
»Die Aussage liegt schon bei mir.« Hauser klopft mit den Fingerknöcheln auf ein paar Blätter, die vor ihm liegen.
»Wer ist der Auftraggeber?« fragt Bienzle.
»Kannst du dir doch denken.«
»Fontana natürlich.« »Mhm.«
»Man hätte ihn sofort festnehmen sollen.«
»Wir sind zu spät gekommen; der Herr ist abgereist.«
»Nach Italien?«
»Das behaupten wenigstens seine Angestellten.«
»Und wer führt die Geschäfte der Restaurant-Kette?«
»Seine Frau.«
»Was, der hat eine Frau?«
»Mhm.«
»Da habe ich einen Fehler gemacht. Man hätte den Typ nicht aus den Augen lassen dürfen.«
»Mach dir keine Vorwürfe«, sagt Hauser; »wir haben nun mal nur eine begrenzte Zahl von Beamten.«
»Gibt es irgendwelche Hinweise, daß der Fontana tatsächlich nach Italien ist?«
»Gollhofer prüft das gerade
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