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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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entgegnete Oswald leise.
    Der Mann lachte auf. »Das
     wird ja immer schöner.« Er überlegte kurz und fuhr sich
     übers glattrasierte Kinn. »Na gut, ich werde sehen, was sich
     machen lässt. Ich melde mich auf dem bekannten Weg bei Herrn von -
     Verzeihung, wir wollten ja keine Namen nennen«, sagte er ironisch
     und steckte die Liste ein. »Zu Ihren Diensten.« Mit diesen
     Worten trank er sein Bier aus, stand auf und ließ Lutz Oswald allein
     in der Nische zurück. Verdammt, der Auftritt war mehr als demütigend
     gewesen. Er griff nach seinem Mantel, legte einen Geldschein auf den Tisch
     und verließ rasch die Bierhalle. Warum man ausgerechnet ihn zu
     diesem Treffen geschickt hatte, konnte er sich nicht erklären. Von
     Ruhm und Ehre war die Rede gewesen, als man ihn für die Gesellschaft
     geworben hatte, die sich so überaus exklusiv gab, und von der
     Wiederherstellung verlorener nationaler Würde, nicht aber von
     Verabredungen in anrüchigen Bierhallen, in die er freiwillig niemals
     einen Fuß gesetzt hätte. Nun ja, es war eben eine Probe, dachte
     er bei sich, winkte ein Taxi herbei und stieg ein.
    Er merkte nicht, wie sich
     eine Gestalt aus dem Schatten löste und ihm nachsah.
    *
    Leo Wechsler ging durch die
     Turmstraße, den Mantelkragen hochgeklappt. Es war feucht und
     regnerisch, der Oktober fühlte sich schon nach Winter an.
    Ilse war an diesem
     Sonntagnachmittag mit Bruno Schneider und den Kindern ins Kino gegangen.
     Im Grunde kein schlechter Kerl, dieser Bruno Schneider, Ilse hatte
     wirklich Glück gehabt. Endlich jemand, der spürte, dass sie
     unerfahren war und sich über seine Aufmerksamkeiten mehr freute als
     eine Frau, die es gewöhnt war, von Männern umschwärmt zu
     werden.
    Leo hatte das Bedürfnis
     nach einem Spaziergang gehabt. Instinktiv war er in Richtung Beusselstraße
     gegangen und fand sich nun vor der Leihbücherei von Clara Bleibtreu
     wieder, die am Wochenende natürlich geschlossen war. Auf einmal spürte
     er ein wenig von dem inneren Frieden, nach dem er sich unbewusst gesehnt
     hatte. Er blieb vor dem Schaufenster stehen, nahm den Hut ab und lehnte
     die Stirn einen Moment lang gegen die kühle, feuchte Scheibe. Er fuhr
     zusammen, als die Tür mit einem Klingeln aufschwang. »Guten
     Tag, Herr Wechsler. Ich hatte heute gar nicht
     mit Kundschaft gerechnet.« Clara Bleibtreu stand in der Tür,
     die sie einladend aufhielt. »Kommen Sie doch herein.«
    Leo zögerte einen
     Moment. »Ich wollte nicht stören.«
    »Das tun Sie nicht. Ich
     habe nur ein bisschen umgeräumt.« Der Geruch, der ihn umfing,
     war seltsam vertraut - altes Papier und Holz, warm und anheimelnd. Und
     noch etwas anderes, ein schwacher Hauch von Parfüm. »Diese
     Seite ist jetzt ganz den neuen Büchern vorbehalten, mein erster
     Schritt zu einer richtigen Buchhandlung«, sagte sie sichtlich stolz.
    »Und wie verkauft sich
     Heinrich Mann?«, fragte Leo. Der Untertan war das erste Buch, das er
     sich hier je angesehen hatte.
    Clara Bleibtreu lächelte.
     »Na ja, dann und wann verirrt sich schon jemand hierher, der so
     etwas kaufen möchte. Außerdem habe ich Kontakt zu den
     Sozialdemokraten hier in Moabit aufgenommen, die möchten mich zu
     einem Vortrag über neue Literatur einladen. Wenn man auf die Leute
     zugeht, sind sie meist ganz interessiert.« Sie schien sich an etwas
     zu erinnern. »Wo haben Sie eigentlich Ihre Kinder gelassen?«
    Leo wollte schon abwinken,
     doch ihr Blick ließ ihn innehalten. »Falls Sie noch mal eine
     Tasse Tee für mich haben, erzähle ich es Ihnen.«
    *
    Leo hatte den Mantel
     ausgezogen und an einen Haken gehängt. Er rückte flüchtig
     die Krawatte zurecht und schob sich das dunkle, wellige Haar aus der
     Stirn. Nur einmal hatte er bisher in dem winzigen, engen Hinterzimmer
     gesessen. Es war drei Monate her, damals hatte er gerade einen Fall
     abgeschlossen und Clara Bleibtreu von dem dramatischen Ausgang erzählt.
    »Haben Sie sich von der
     Verletzung erholt?«, fragte sie gerade, und Leo zuckte ein wenig
     zusammen, weil er mit seinen Gedanken woanders gewesen war.
    »Ach so, ja, die ist längst
     verheilt«, sagte er entschuldigend.
    »Sie sehen aus, als hätten
     Sie etwas auf dem Herzen.« Sie stellte ihm Tee und die Zuckerdose
     hin. »Falls Sie möchten, höre ich zu. Das kann ich gut.«
    Plötzlich empfand er
     eine ungeheure Ruhe, am liebsten hätte er gar nichts gesagt und
     einfach nur dagesessen. Auch über Ilse und Bruno Schneider

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