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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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wollte er
     auf einmal nicht mehr sprechen. Er trank einen Schluck Tee, stützte
     die Ellbogen auf die Knie und sagte nachdenklich: »Ach, ich bin
     gerade zu der Ansicht gelangt, dass ich lieber über Bücher reden
     würde. Oder über Sie.«
    Clara lächelte
     verhalten. »Da gibt es nicht viel zu erzählen, über mich,
     meine ich. Über Bücher könnte ich mich stundenlang
     unterhalten.« Sie stand auf, verschwand kurz im Laden und kehrte mit
     einem Buch in einem auffallenden hellblauen Umschlag mit weißer
     Schrift zurück.
    Leo las den Titel: »
     Ulysses, by James Joyce. Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Es ist auch neu, erst
     im Februar in Paris erschienen. In Amerika hat man es schon verboten, als
     es dort in Fortsetzungen veröffentlicht wurde.«
    »Weshalb?«,
     fragte Leo und schlug das Buch auf.
    »Wegen Obszönität«,
     sagte Clara lächelnd. »Ein Ire hat es geschrieben, viele halten
     es für vollkommen unlesbar, einige wenige für eine literarische
     Revolution. Es wird sich zeigen, wer recht hat.«
    »Können Sie das
     alles verstehen?«, fragte Leo beeindruckt, als er die eng bedruckten
     englischen Seiten betrachtete.
    Clara schüttelte den
     Kopf. »Leider nicht, da muss ich wohl auf die Übersetzung
     warten, falls sich überhaupt jemand daranwagt. Ich habe es aus einem
     Impuls heraus bei Shakespeare & Company in Paris bestellt und mich
     fast ruiniert. 150 Franc habe ich dafür bezahlt, das war schon die
     billigste Ausgabe. Die ersten hundert Exemplare hat der Autor selbst
     signiert, die kosteten sogar 350 Franc.
     Kennen Sie das Gefühl, etwas haben zu wollen, selbst wenn Sie es
     vielleicht gar nicht gebrauchen können?«
    Leo überlegte. »Nicht
     unbedingt. Aber vor einer Weile habe ich ganz impulsiv ein Bild gekauft,
     weil ich es unbedingt haben wollte. Wahrscheinlich hätte ich sogar
     das Doppelte bezahlt, wenn die Galeristin es verlangt hätte. Es hängt
     jetzt in meinem Büro.«
    »Dann muss ich wohl
     irgendwann einmal den weiten Weg zum Alexanderplatz machen und es mir
     ansehen.«
    Sie unterhielten sich
     vollkommen zwanglos über Bücher und Bilder, als würden sie
     einander ewig kennen, während draußen der Wind den Regen an die
     Fensterscheibe peitschte. Als Leo schließlich aufstand und nach
     seinem Mantel griff, meinte er, eine leichte Enttäuschung in Clara
     Bleibtreus Gesicht zu erkennen. Mit neuem Schwung ging er nach vorn in den
     Laden und zog das Buch von Heinrich Mann aus dem Regal. »Das hätte
     ich gern, falls Sie sonntags Geschäfte machen. Leider habe ich kein
     Geld dabei. Kann ich bis zum nächsten Mal anschreiben lassen?«
    Clara lächelte und
     tippte sich an die Stirn. »Steht alles hier drin.«

 
    5
    November 1922
    Ihr Schrei hing noch in der
     Luft, als Thea Pabst sich träge zu Arnold Wegner drehte und ihn aus
     halb geschlossenen Augen ansah. Dann stützte sie sich auf den
     Ellbogen und fuhr ihm sacht mit der Hand über die Wange. »Warum
     sind unattraktive Männer oft so gute Liebhaber?«
    Ohne im geringsten gekränkt
     zu sein, antwortete Wegner gelassen: »Weil sie es nötiger haben
     als die Apollos.« Thea lachte und stand auf. Der Kohleofen
     verbreitete eine solche Hitze, dass sie nackt durchs Atelier schlendern
     konnte, ohne zu frieren. Wegner schaute sie vom Bett aus bewundernd an.
     Ja, ihr Bild würde schön werden, dachte er und sah hinüber
     zu der Staffelei mit dem noch unfertigen Porträt. Er arbeitete sehr
     intensiv daran, sie sahen sich im Augenblick fast jeden Tag.        
    Es zeigte Thea nicht ganz
     nackt, sondern in ihrem Inflationskostüm, wenngleich es mehr enthüllte
     als verbarg. Als Hintergrund hatte er ein warmes Rot gewählt, vor dem
     ihr honigblondes Haar regelrecht leuchtete. Sie stand auf Zehenspitzen,
     den Körper leicht nach hinten geneigt, die Arme in die Höhe
     geworfen, sie glich einem lebendigen Bogen.
    Theas Porträt zu malen
     bereitete ihm Freude und Genuss, war eine Arbeit, die ihm leicht von der
     Hand ging. Das andere Bild, mit dem er sich gerade beschäftigte, war
     den dunkleren Stunden vorbehalten, wenn er allein im Atelier war und mit
     der Dämmerung die Erinnerungen heranrückten.
    »Was ist denn das hier?«,
     fragte sie und zeigte auf eine Leinwand, die in der Ecke lehnte.
    Wegner setzte sich abrupt im
     Bett auf. »Das nicht«, rief er, »das ist noch ganz am
     Anfang.«
    »Ach komm, lass es mich
     anschauen«, sagte sie schmeichelnd, »es sieht interessant

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