Tod in Blau
über
meinen Tanz sprechen.«
Sie ging langsam zu den
Bildern hinüber, die an der Wand lehnten, nahm sich Zeit für die
Betrachtung. »Das hier ist interessant«, sagte sie schließlich.
Sie war vor dem Bild von Wegners Elternhaus stehen geblieben.
»Das hat dem Jungen
auch gefallen«, meinte er und trat hinter sie. »Dort habe ich
früher gewohnt.«
»Und sind nicht
besonders glücklich gewesen«, ergänzte Thea.
Er sah sie überrascht
an. »Sie kommen der Sache ziemlich nahe. Ich fühlte mich oft
eingeengt, obwohl das Haus recht groß war. Aber zu klein für
einen Träumer wie mich.«
»Sie wirken gar nicht
wie ein Träumer.«
»Als Kind bin ich ständig
gegen Türen und Schränke gelaufen, weil ich auf irgendeiner
Wolke schwebte.«
»Und was waren Ihre Träume?«,
fragte sie. »In ferne Länder reisen? Edle Jungfrauen
verteidigen? Am Amazonas die Piranhas erforschen?«
Wegner schüttelte den
Kopf. »Reisen schon. Vor allem aber habe ich davon geträumt,
ein tapferer Soldat zu werden, der sein Vaterland verteidigt.«
Sie zündete sich eine
Zigarette an, bevor er ihr Feuer geben konnte. »Das überrascht
mich wirklich. Sie machen so gar keinen militärischen Eindruck.«
Wegner wandte sich ein wenig
ab. »Mein Vater hat siebzig/ einundsiebzig in Frankreich gekämpft.
Im großen, ruhmreichen Krieg. Es war der absolute Höhepunkt
seines Lebens. Von diesen Erinnerungen hat er bis zu seinem Tod gezehrt.«
Seine Stimme klang bitter, als er sie wieder anschaute. »Als Junge
haben mich seine Geschichten vom gewonnenen Krieg begeistert. Uniformen,
Heldenmut, jubelnde Mädchen mit Blumen am Straßenrand. Als ich
selbst Soldat wurde, wäre ich am liebsten nach zwei Wochen
desertiert.«
»Und das hat Ihr Vater
nicht verstanden?«
Wegner schüttelte den
Kopf. »Keine Spur von Heldentum. Nur Dreck, Blut und
grauenerregender Lärm, zerfetzte menschliche Körper, stinkende
Gasschwaden und Kraterlandschaften mit roten Pfützen. Genau so habe
ich es ihm geschildert. Er konnte es nicht hinnehmen. Mein Vater hat bis
zu seinem Tod kein Wort mehr mit mir gesprochen.« Er machte eine
Bewegung, als verscheuchte er die Erinnerung. »Wollen wir beginnen?«
*
Die Villa in Dahlem war hell
erleuchtet. Der Qualm der Pfeifen und Zigarren hing wie eine graue Wolke
über dem Billardtisch, an dem niemand spielte. Die Herren saßen
bequem in Ledersesseln und pafften vor sich hin, auf dem Tischchen
zwischen sich eine Karaffe mit altem Weinbrand.
Ulrich von Mühl lachte
auf, beugte sich vor und klopfte seine Zigarre am Aschenbecher ab. Dann
deutete er mit ihr wie mit einer Waffe auf seinen Freund. »Jetzt mal
im Ernst, vom Hofe, was soll das nun wieder für ein Verein sein?
NSDAP-Versammlungsschutz, für wen halten die sich eigentlich? Das
sind doch ordinäre Schläger, die können Sie höchstens
als Rausschmeißer vor einen Bierkeller stellen. Weshalb gibt sich
ein verdienter Mann wie Ehrhardt bloß mit solchen Leuten ab?«
»Und dann dieser Röhm,
ich bitte Sie«, entgegnete vom Hofe nickend. »Er mag tapfer im
Feld gewesen sein, aber mit solchen Leuten kann man doch keine Politik
machen. Ich halte ohnehin nicht viel von dieser neuen Partei und ihrem
österreichischen Gefreiten. Die werden verlöschen wie meine
Pfeife hier.« Er riss ein Streichholz an, hielt es an den Tabak und
sog heftig, bevor er das verbrannte Streichholz in den Aschenbecher warf.
Meinhard von Strutwitz schüttelte
zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, ob man vorsichtige
Kontakte von vornherein ausschließen sollte. Die Gegenseite ist
stark, die Bürgerlichen könnten glatt von den Bolschewisten
zerrieben werden. Wenn die Inflation noch zunimmt und Chaos ausbricht,
rennen die Leute zu denen, die ihnen Brot versprechen. Und das waren schon
immer die Roten.«
»Gewiss«,
antwortete vom Hofe. »Aber der Feind hat uns lange genug gedemütigt.
Ich werde mich nicht selbst erniedrigen, indem ich mich mit Gesindel und
Abschaum einlasse. Für mich sind solche Kontakte ausgeschlossen.«
»Sehr bedauerlich, dass
wir heute Abend in so kleinem Kreis zusammengekommen sind, ich hätte
gern noch weitere Meinungen gehört. Andererseits war mit von Bauditz
alles abgestimmt«, sagte von Mühl. »Nun sollten wir Herrn
Oswald nicht länger warten lassen; was die Beschaffung angeht, war ja
alles abgesprochen.«
Die anderen nickten, worauf
sich von
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