Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
Bild wird nicht
     furchtbar, sondern wunderschön, ich habe die Entwürfe gesehen.
     Es ist, als hätte er - eine Art drittes Auge, mit dem er mehr sieht
     als andere. Das einen durchdringt. Ich werde es dir zeigen, sobald es
     fertig ist.«
    »Pervertiert und
     geschmacklos«, sagte Richard, als hätte er ihre Worte gar nicht
     zur Kenntnis genommen. »Eine Orgie der Hässlichkeit. Er suhlt
     sich geradezu in allem, was verkommen und undeutsch ist. Neulich war ich
     mit einem Bekannten auf einer Vernissage - Freunde hatten mich mitgenommen
     -, und ich bemühte mich, höflich zu bleiben. Aber dann konnte
     ich meine Meinung doch nicht für mich behalten, so scheußlich
     waren diese Machwerke. Alte, Kranke, Verstümmelte, Gestalten, die
     niemand sehen möchte. Nackte Kriegskrüppel, die ihre Blöße
     mit verbeulten Stahlhelmen bedecken, ich bitte dich.«
    Zwar fühlte sich Thea
     nicht bemüßigt, den einen Geliebten vor dem anderen in Schutz
     zu nehmen, wohl aber den Künstler, der ein so wunderbares Porträt
     von ihr erschaffen würde. »Arnold malt auch schöne Dinge -
     mich zum Beispiel.« Sie sah Richard herausfordernd an. »Und
     Blumen.«
    »Die haben die
     Impressionisten auch gemalt und weitaus besser als er. Nein, ich finde,
     Wegner beschäftigt sich nur mit der unerfreulichen Gegenwart, mit dem
     Elend auf den Straßen, das wir alle zur Genüge kennen. Das will
     doch niemand auch noch in der Kunst sehen.«
    Sie überlegte, ob sie
     sich wirklich auf diese Diskussion einlassen sollte. Wegner war ein anständiger
     Mensch, selbst wenn ihre Loyalität nicht so weit ging, dass sie ihm
     deswegen treu geblieben wäre. Was er wohl auch nicht von ihr
     erwartete, immerhin war er verheiratet und schien eine Trennung von seiner
     Frau auch nicht in Betracht zu ziehen. Zudem konnte ihr ein Mann wie
     Richard äußerst nützlich sein, denn er kannte Berlin und
     unterhielt ausgezeichnete Beziehungen bis in die höchsten Kreise.
     Zwar war er, entgegen seiner eigenen Meinung, kein sonderlich guter
     Liebhaber, aber sie ließ es ihn nicht spüren. Sie wollte seine
     Eifersucht nicht zu sehr anfachen.
    »Ich könnte mir
     vorstellen, dass er schlimme Erinnerungen an den Krieg hat und sie damit
     überwinden will.«
    Richard trank einen großen
     Schluck Champagner und berührte ihre nackte Brust mit dem kalten
     Glas. »Ich kenne aber keine Kriegsbilder von ihm, nur Straßenszenen
     aus Berlin und irgendwelchen halbseidenen Lokalen. Einfach billig. Und
     selbst wenn er Kriegsbilder malte, würden sie gewiss nicht den
     heldenhaften Kampf unserer deutschen Soldaten und Offiziere zeigen,
     sondern irgendwelche abartigen Gestalten, die es nicht wert sind, eine
     feldgraue Uniform zu tragen.« Er versank in missmutiges Schweigen.
    Thea stützte sich auf
     den Ellbogen und schaute ihn prüfend von der Seite an. Sie musste seine
     schlechte Laune rasch vertreiben.
    Sie stellte das Glas weg und
     legte die Hand auf seine Brust. »Letztens habe ich in einem Buch
     über altindische Liebeskunst geblättert…«
    *
    »Schon wieder ein neuer
     Reichskanzler«, meinte Walther kopfschüttelnd und ließ
     seine Zeitung sinken. »Frei nach dem Motto: Wer will noch mal, wer
     hat noch nicht?«
    »Den wievielten haben
     wir jetzt? Nummer fünf?«, fragte Berns. »Und alle gleich
     schlecht. Demnächst fahren wir das Geld mit der Schubkarre in die Bäckerei.
     Dann wiegen die Scheine mehr als das Brot, das man dafür bekommt.«
    »Immer noch besser als
     Münzen«, sagte Fräulein Meinelt und spannte mit
     energischem Dreh ein neues Blatt in die Schreibmaschine.
    »Hat einer von Ihnen
     etwa noch Münzen? Die taugen doch nur noch zum Einschmelzen«,
     warf Lauterbach sarkastisch ein.
    Da ging die Tür auf und
     Leo Wechsler trat ein, worauf Walther rasch seine Zeitung zusammenfaltete
     und in der Schreibtischschublade verschwinden ließ. Leo blickte
     auffordernd in die Runde. »Und? Habe ich die Herren bei einem
     interessanten Gespräch gestört? Wie stehen die Sportwetten,
     Robert?«
    »Nein, nein, Herr
     Kommissar, wir sprachen über das neue Kabinett«, erklärte
     Fräulein Meinelt beflissen.
    »Überlassen wir
     die Politik den Stammtischen, dort wird genug geredet. Im Übrigen
     interessiert es mich nicht sonderlich, ob der Reichskanzler Wirth, Cuno
     oder Klawuttke heißt«, meinte Leo und unterdrückte ein
     Grinsen. »Kommen Sie bitte mit in mein Büro, meine Herren.«
    Sie schauten einander an,
     folgten ihm nach

Weitere Kostenlose Bücher