Tod in Blau
Mühl erhob und zur Tür ging. Er hatte wie immer dafür
gesorgt, dass bei den Treffen der Gesellschaft niemand außer ihm im
Haus war, und musste seine Besucher daher selbst hereinbitten. Draußen
vor der Tür saß ein junger Mann auf einem Stuhl und drehte
seinen Hut unschlüssig in den Händen.
»Herr Leutnant, wenn
ich bitten dürfte?«
Der junge Mann, der sich in
seinem Zivilanzug nicht recht wohl zu fühlen schien, sprang auf und
betrat die Bibliothek, dann schloss von Mühl die Tür hinter ihm
und nahm wieder in seinem Sessel Platz. »Meine Herren, darf ich
Ihnen Leutnant Lutz Oswald vorstellen?«
Oswald verbeugte sich knapp.
Man bot ihm keinen Platz an.
»Wie viel weiß
er?«, erkundigte sich von Strutwitz.
»Ich habe den Herrn
Leutnant bereits mit den Zielen unserer wissenschaftlichen Vereinigung
vertraut gemacht«, erklärte von Mühl mit spöttischem
Lächeln. »Er teilt unsere Absichten voll und ganz. Daher ist er
auch bereit, die praktische Seite der Organisation zu übernehmen.«
Er zog ein gefaltetes Blatt aus der Innentasche seines Jacketts, setzte
eine Lesebrille auf und schaute Oswald über die Gläser hinweg
an. »Ich hoffe auf Ihr gutes Gedächtnis. Sie erhalten keinerlei
Unterlagen von mir, sondern müssen alles im Kopf behalten.« Er
las die Anweisungen zweimal vor, warf das Papier in den Kamin und sah zu,
wie es sich in der Hitze kräuselte, die Ränder sich schwarz verfärbten
und nach innen fraßen, bis alles zu Asche zerfiel.
Dann blickte von Mühl
hoch, legte die Fingerspitzen aneinander und nickte Oswald leutselig zu.
»Nur zu, Herr Leutnant, jetzt können Sie beweisen, was Sie wert
sind. Und noch eins - kein Wort zu irgendjemandem, auch nicht im Bett.«
Der Leutnant räusperte
sich verlegen, schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich erneut.
»Zu Befehl, Herr Oberstleutnant. Meine Herren.« Mit diesen
Worten verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Draußen schaute er
vorsichtshalber in alle Richtungen, doch die Straße lag um diese späte
Stunde völlig verlassen da. Er ging zu seinem Wagen und fuhr los,
immer Richtung Nordosten, aus dem Grünen hinein ins steinerne Herz
der Stadt.
Die Kneipe wirkte schon von
außen mehr als heruntergekommen. Einige Stufen führten zum
Eingang hinunter, dessen schmierige Fenster kaum über Gehwegniveau
lagen. Von drinnen schlugen ihm lautes Stimmengewirr, Akkordeonmusik und
der Qualm von billigem Tabak entgegen. Er setzte sich in die hinterste
Nische der schäbigen Bierhalle und schaute sich um, während er
mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Vermutlich wäre er besser in
Hemd und Pullunder erschienen, niemand sonst trug einen so gut
geschnittenen Anzug. Das hier war ganz und gar nicht seine Welt, aber von
Mühl hatte nun einmal diesen Treffpunkt ausgewählt, und es
beruhigte ihn ein wenig, dass er in dieser Kaschemme
immerhin keine Bekannten treffen würde. Und falls doch, wäre
ihnen die Begegnung vermutlich ebenso peinlich wie ihm selbst. Der
Leutnant sah auf seine Taschenuhr und zündete sich die dritte
Zigarette an. Er hasste Unpünktlichkeit, erst recht, wenn es um geschäftliche
Verabredungen ging.
Endlich. Der Mann steuerte
geradewegs auf ihn zu, obwohl sie sich noch nie gesehen hatten, rutschte
auf die Sitzbank ihm gegenüber und winkte zum Tresen hin, worauf ihm
der Wirt ein Bier brachte. Dann legte er in aller Ruhe den Hut neben sich
auf den Tisch. »Sie entschuldigen, ich hatte noch zu tun.«
»Ich warte nicht gern«,
erwiderte sein Gegenüber knapp, um seine Position von Beginn an
klarzumachen.
»Ganz der schneidige
Offizier, was?«
»Werden Sie nicht
unverschämt, sonst…«
»Was sonst? So leicht
werden Sie keinen anderen Lieferanten für Ihren Kram finden, vor
allem niemanden, der Ihnen so anständige Preise macht. Und meine
Weste ist rein, ich habe nichts zu verbergen. Ganz im Gegensatz zu Ihnen.
Zeigen Sie mal die Einkaufsliste her.«
Leutnant Oswald griff in die
Innentasche seines Jacketts und holte ein einzelnes Blatt heraus. Der Mann
überflog die Liste und pfiff durch die Zähne. »Und damit
schicken die einen Anfänger?«
Sein Gegenüber lief rot
an und wirkte plötzlich unsicher. »Ich habe meine Anweisungen.«
»Ich will gar nicht
wissen, wofür Sie das Zeug brauchen. Wohl kaum fürs Schützenfest,
was?«
»Wir nehmen nur beste
Ware«,
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