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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Mühl erhob und zur Tür ging. Er hatte wie immer dafür
     gesorgt, dass bei den Treffen der Gesellschaft niemand außer ihm im
     Haus war, und musste seine Besucher daher selbst hereinbitten. Draußen
     vor der Tür saß ein junger Mann auf einem Stuhl und drehte
     seinen Hut unschlüssig in den Händen.
    »Herr Leutnant, wenn
     ich bitten dürfte?«
    Der junge Mann, der sich in
     seinem Zivilanzug nicht recht wohl zu fühlen schien, sprang auf und
     betrat die Bibliothek, dann schloss von Mühl die Tür hinter ihm
     und nahm wieder in seinem Sessel Platz. »Meine Herren, darf ich
     Ihnen Leutnant Lutz Oswald vorstellen?«
    Oswald verbeugte sich knapp.
     Man bot ihm keinen Platz an.
    »Wie viel weiß
     er?«, erkundigte sich von Strutwitz.
    »Ich habe den Herrn
     Leutnant bereits mit den Zielen unserer wissenschaftlichen Vereinigung
     vertraut gemacht«, erklärte von Mühl mit spöttischem
     Lächeln. »Er teilt unsere Absichten voll und ganz. Daher ist er
     auch bereit, die praktische Seite der Organisation zu übernehmen.«
     Er zog ein gefaltetes Blatt aus der Innentasche seines Jacketts, setzte
     eine Lesebrille auf und schaute Oswald über die Gläser hinweg
     an. »Ich hoffe auf Ihr gutes Gedächtnis. Sie erhalten keinerlei
     Unterlagen von mir, sondern müssen alles im Kopf behalten.« Er
     las die Anweisungen zweimal vor, warf das Papier in den Kamin und sah zu,
     wie es sich in der Hitze kräuselte, die Ränder sich schwarz verfärbten
     und nach innen fraßen, bis alles zu Asche zerfiel.        
    Dann blickte von Mühl
     hoch, legte die Fingerspitzen aneinander und nickte Oswald leutselig zu.
     »Nur zu, Herr Leutnant, jetzt können Sie beweisen, was Sie wert
     sind. Und noch eins - kein Wort zu irgendjemandem, auch nicht im Bett.«
    Der Leutnant räusperte
     sich verlegen, schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich erneut.
     »Zu Befehl, Herr Oberstleutnant. Meine Herren.« Mit diesen
     Worten verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Draußen schaute er
     vorsichtshalber in alle Richtungen, doch die Straße lag um diese späte
     Stunde völlig verlassen da. Er ging zu seinem Wagen und fuhr los,
     immer Richtung Nordosten, aus dem Grünen hinein ins steinerne Herz
     der Stadt. 
    Die Kneipe wirkte schon von
     außen mehr als heruntergekommen. Einige Stufen führten zum
     Eingang hinunter, dessen schmierige Fenster kaum über Gehwegniveau
     lagen. Von drinnen schlugen ihm lautes Stimmengewirr, Akkordeonmusik und
     der Qualm von billigem Tabak entgegen. Er setzte sich in die hinterste
     Nische der schäbigen Bierhalle und schaute sich um, während er
     mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Vermutlich wäre er besser in
     Hemd und Pullunder erschienen, niemand sonst trug einen so gut
     geschnittenen Anzug. Das hier war ganz und gar nicht seine Welt, aber von
     Mühl hatte nun einmal diesen Treffpunkt ausgewählt, und es
     beruhigte ihn ein wenig, dass er in dieser Kaschemme
     immerhin keine Bekannten treffen würde. Und falls doch, wäre
     ihnen die Begegnung vermutlich ebenso peinlich wie ihm selbst. Der
     Leutnant sah auf seine Taschenuhr und zündete sich die dritte
     Zigarette an. Er hasste Unpünktlichkeit, erst recht, wenn es um geschäftliche
     Verabredungen ging.
    Endlich. Der Mann steuerte
     geradewegs auf ihn zu, obwohl sie sich noch nie gesehen hatten, rutschte
     auf die Sitzbank ihm gegenüber und winkte zum Tresen hin, worauf ihm
     der Wirt ein Bier brachte. Dann legte er in aller Ruhe den Hut neben sich
     auf den Tisch. »Sie entschuldigen, ich hatte noch zu tun.«
    »Ich warte nicht gern«,
     erwiderte sein Gegenüber knapp, um seine Position von Beginn an
     klarzumachen.
    »Ganz der schneidige
     Offizier, was?«
    »Werden Sie nicht
     unverschämt, sonst…«
    »Was sonst? So leicht
     werden Sie keinen anderen Lieferanten für Ihren Kram finden, vor
     allem niemanden, der Ihnen so anständige Preise macht. Und meine
     Weste ist rein, ich habe nichts zu verbergen. Ganz im Gegensatz zu Ihnen.
     Zeigen Sie mal die Einkaufsliste her.«
    Leutnant Oswald griff in die
     Innentasche seines Jacketts und holte ein einzelnes Blatt heraus. Der Mann
     überflog die Liste und pfiff durch die Zähne. »Und damit
     schicken die einen Anfänger?«
    Sein Gegenüber lief rot
     an und wirkte plötzlich unsicher. »Ich habe meine Anweisungen.«
    »Ich will gar nicht
     wissen, wofür Sie das Zeug brauchen. Wohl kaum fürs Schützenfest,
     was?«
    »Wir nehmen nur beste
     Ware«,

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