Tod in Blau
völlig
anderen Künstler dahinter vermuten können. Eine junge, fast
unbekleidete Frau, an deren Körper Geldscheine klebten, vor einem
warmroten Hintergrund. Ihre Haltung war so grazil, dass es sich nur um
eine Tänzerin handeln konnte.
»Was mag das hier
gewesen sein?« Walther riss Leo aus der Betrachtung und deutete auf ein Häufchen
Asche, neben dem einige verkohlte Holzstreben lagen.
Leo kniete sich hin und
beugte sich darüber. »Metallstücke, es könnten
verbogene Nägel sein. Nehmt Proben von allem mit, Asche, Holzreste,
Metall, was ihr findet. Auch die Essensreste. Wer weiß, wen er hier
bewirtet hat. Und Fingerabdrücke.« Er wandte sich an Berns.
»Sie sehen sich bitte draußen um. Ich glaube zwar kaum, dass
wir verwertbare Fußspuren finden, weil alles von der Feuerwehr
zertrampelt wurde, aber wir können mögliche Abdrücke mit
den Sohlen der Feuerwehrstiefel vergleichen.« Berns nickte und
verschwand nach draußen.
Zeitler fotografierte den
Tatort aus verschiedenen Winkeln, bevor Stahnke und Berns die
Spurensicherung übernahmen. Sie bestäubten sämtliche Flächen
mit Graphitpulver, konservierten die Abdrücke und verpackten
Essensreste und Malutensilien. Nachdem Fräulein Meinelt das Protokoll
mitstenographiert hatte, wandte Leo sich an Erichsen. »Wir fahren
jetzt zu der Ehefrau des Verstorbenen. Haben Sie die Adresse?«
»Sie steht in der Akte.«
»Gut. Gehen wir.«
Er warf noch einen langen Blick auf die Bilder, dann schaltete er das
Licht aus und verließ als Letzter das Atelier.
*
Nelly Wegner öffnete
ihnen mit verweinten Augen die Tür. Zum Glück hatte ihr schon
jemand anders die schlimme Nachricht überbracht, dachte Leo,
egoistischerweise erleichtert. Die Frau erinnerte ihn an eine zarte Blume,
nicht unbedingt wegen ihrer Schönheit, sondern weil sie geradezu
durchsichtig wirkte. Helles, fast weißes Haar, das flaumig um ihr
blasses Gesicht wölkte, und riesige braune Augen. Ihr Kleid war
zerknittert, als hätte sie darin geschlafen. Sie trat einen Schritt
zurück, noch bevor sie sich ausweisen konnten.
»Sie sind sicher von
der Polizei. Kommen Sie bitte herein.«
Leo fiel sofort der
schimmernde honigbraune Dielenboden auf, auf dem kein einziger Teppich
lag. Die Möbel waren schlicht, es gab kaum Dekorationsgegenstände
außer den zahlreichen Bildern, die die weißen Wände schmückten.
Im Wohnzimmer stand ein riesiger Gummibaum, dessen Triebe fast bis zur
Decke reichten.
Nelly Wegner bot ihnen Platz
in zwei Sesseln an, über denen bunte Tücher mit geometrischen
Mustern lagen. Leo warf einen anerkennenden Blick darauf, bevor er sich
setzte. »Mexikanisch?«
Sie nickte. »Arnold war
einmal dort, noch vor dem Krieg. Er hat diese Tücher mitgebracht und
konnte sich nie von ihnen trennen, obwohl sie hier und da fadenscheinig
geworden sind.«
»Setzen Sie sich doch
bitte«, sagte Leo.
»Nein, ich möchte
lieber stehen.« Sie erinnerte ihn an ein Schulmädchen, wie sie
mit gefalteten Händen zwischen ihnen stand, den Kopf gesenkt. Dann
bemerkte er, dass ihre Finger ganz rot waren, während die Knöchel
weiß hervortraten. Sie knetete unablässig ihre Hände und
wartete schweigend ab. Es half nichts, er musste den ersten Schritt tun.
»Sie wissen, warum wir hier sind?«
Sie biss sich auf die Lippen.
»N-nein, nicht genau.«
Walther war froh, dass sein
Kollege diesen Teil übernahm.
Leo beugte sich vor und
schaute sie eindringlich an. »Ihr Mann ist verstorben, Frau Wegner.«
»Ja.« Sie
schluckte, schien irgendwie abwesend. »Bei einem Brand. Es war ein
Unfall.«
»Das steht noch nicht
genau fest. Bitte beschreiben Sie uns, was genau Sie vorgefunden haben,
als Sie das Atelier betraten. Später brauche ich eine Liste mit der
gesamten Einrichtung des Ateliers, wir müssen herausfinden, ob etwas
fehlt.«
Sie sah ihn an, als wäre
sie jetzt erst aufgewacht, und schluckte wieder. »Ich habe nur kurz
hingesehen… es war entsetzlich. Gar nicht wie ein
Mensch. Ich konnte nur noch schreien.« Dann, wie betäubt:
»Was haben Sie da eben gesagt? Es steht noch nicht fest, ob es ein
Unfall war?«
»Genau.«
Sie zuckte sichtlich
zusammen. »Wie meinen Sie das? Die Feuerwehr hat doch - ich meine -«
»Die Feuerwehr hegt
ernsthafte Zweifel an der Unfalltheorie.« Leo nahm Zuflucht zur
amtlichen Ausdrucksweise. »Es gibt Hinweise, die
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