Tod in Blau
Bilder und zeigte
darauf. »Arnold war Maler, sonst nichts. Warum hätte man ihn töten
sollen? Jemanden, der so etwas erschaffen hat?«
Leo stellte sich neben sie.
Zuerst sah er nur den blühenden Garten, ein üppiges Wogen in
Rosa, Violett, Hellgrün und zartem Blau, doch als er genauer
hinschaute, entdeckte er ein Haus, das gar nicht in die Umgebung zu passen
schien. Grau, freudlos, bedrückend und irgendwie verzerrt. Ganz
anders als das meiste, was er von Wegner gesehen hatte. »Stammt das
auch von Ihrem Mann?«
»Ja, das ist sein
Elternhaus. Das Bild hat ihm sehr viel bedeutet, er wollte es bei der
Arbeit immer um sich haben. Er brachte es erst vor einigen Wochen mit und
hängte es hier auf -« Ihre Stimme versagte.
»Hat Ihr Mann sich in
letzter Zeit verändert? Wäre es denkbar, dass er unglücklich
war oder sich bedroht fühlte?«, fragte Walther.
Sie überlegte. »Eigentlich
ist mir nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Nur dass er das
Bild mitbrachte, hat mich gewundert. Andererseits war er auch, wie soll
ich sagen, wir waren uns nicht immer sehr nahe. Falls ihn etwas bedrückte,
hat er es sich vielleicht nicht anmerken lassen.« Sie ließ die
Worte wirken. »Ich habe ihn sehr geliebt, viel mehr als er mich.«
Dann blickte sie hoch, beinahe trotzig, als hätte sie damit ein
abschließendes Wort gesprochen.
Doch Leo war anderer Ansicht.
»Leider müssen wir auch seine persönlichen Sachen
durchsuchen und eventuell vorübergehend beschlagnahmen. Natürlich
erhalten Sie alles zurück, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind.«
Nelly sah ihn erschreckt an.
»Aber… er hat doch kein Verbrechen begangen!«
»Darum geht es nicht«,
erklärte Leo geduldig. »Möglicherweise finden wir dabei
Hinweise auf ein Tatmotiv.«
Sie schaute ihn skeptisch an
und stand auf. »Dann kommen Sie mit.«
Zunächst führte sie
Leo und Walther zum Schlafzimmer, öffnete die Tür und wandte
sich ab, als wollte sie den Blick auf das gemeinsame Bett vermeiden.
»Das ist sein Kleiderschrank. Alles andere gehört mir. Nebenan
ist das Arbeitszimmer, das war sein eigenes Reich. Wenn Sie mich brauchen,
finden Sie mich im Wohnzimmer.« Sie wollte hinausgehen, ohne Leos
Erwiderung abzuwarten, doch er rief sie noch einmal zurück. »Frau
Wegner, Sie könnten uns noch einen Gefallen tun. Bitte stellen Sie
eine Liste mit den Einrichtungsgegenständen des Ateliers auf. Möbel,
größere Arbeitsgeräte, alles, was Ihnen einfällt. Und überlegen
Sie bitte, ob etwas davon verändert war oder gefehlt hat, als Sie den
Tatort betreten haben.« Mit diesen Worten wandte er sich dem Raum
zu.
Der Kleiderschrank war aus
dunklem Holz gefertigt und mit aufwendigen Schnitzereien versehen. Walther
öffnete ihn mit dem verschnörkelten Schlüssel und steckte
die Nase hinein. »Riecht gut«, sagte er beiläufig.
»Vielleicht hat das den
Frauen so an ihm gefallen. Ich gehe schon mal nach nebenan.«
Walther nickte und kniete
sich vor den Schrank, bevor er die Wäscheschubladen nacheinander
öffnete, Socken ausräumte und unter Wäschestücken
herumtastete. Er fühlte in allen Jackentaschen, kehrte Hosen nach außen,
stöberte zwischen Schals und Krawatten, doch fand er nichts, das
irgendwie außergewöhnlich gewirkt oder nicht in einen
Kleiderschrank gehört hätte. Der tote Maler schien ein Freund
von schlichter, aber hochwertiger Kleidung gewesen zu sein und hatte
bequeme Teile bevorzugt.
Walther schloss den Schrank
wieder ab und sah sich im Schlafzimmer um. Neben dem Bett stand eine
Kommode, die tatsächlich nur Damensachen enthielt, ebenso der
zierliche Kleiderschrank aus hellem Holz. Auf einem Nachttisch lag eine
Michelangelo-Biographie, auf dem anderen eine Bibel. Ob Nelly Wegner aus
einer mehr oder weniger unglücklichen Ehe in die Religion geflüchtet
war?
Als er die Schubladen öffnete,
stellte Walther erstaunt fest, dass die Bibel auf Wegners Seite lag. Er
ging nach nebenan ins Arbeitszimmer, wo Leo vor dem Schreibtisch kniete
und versuchte, eine klemmende Schublade zu öffnen. Aus den Regalen an
den Wänden quollen Bücher, Skizzenmappen, Papiere und anderer
Kram. Er seufzte. »Das sieht nach Arbeit aus.«
Walther berichtete von der
Bibel.
»Hm, es passt nicht zu
dem, was wir über ihn wissen, aber ob es von Bedeutung ist…
frag doch mal seine Frau.« Mit einem Ruck gab die Schublade plötzlich
nach,
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