Tod in Blau
Walther musste sich zwingen, endlich zum Grund
seines Besuchs zu kommen.
»Fräulein Pabst,
Sie waren mit Herrn Arnold Wegner befreundet?«
»Hm, ich weiß
nicht, ob befreundet der richtige Ausdruck ist.«
»Können Sie mir
das näher erklären?«
»Ich habe ihm Modell
gestanden. Auf seinen eigenen Wunsch hin. Gesellschaftlich haben wir nicht
miteinander verkehrt.«
Walther holte sein Notizbuch
hervor, schlug es auf und räusperte sich. »Wie haben Sie sich
denn kennen gelernt?«
Sie berichtete von ihrem
Auftritt im Hause Kreisler. »Wir kamen ins Gespräch, und er
sagte, er würde mich gern malen. Also haben wir uns in seinem Atelier
getroffen.«
»Wie Ihnen bekannt sein
dürfte, Fräulein Pabst, ist Herr Wegner bei einem Brand in
seinem Atelier ums Leben gekommen. Es handelt sich womöglich um ein Tötungsdelikt.«
Sie sah ihn mit aufrichtigem
Entsetzen an. »Sie meinen Mord? Ich dachte, es sei ein Unglücksfall
gewesen. So stand es jedenfalls in der Zeitung.«
Er schüttelte den Kopf.
»Es gibt Indizien, die für ein Fremdverschulden sprechen.«
Warum klang nur alles, was er sagte, so furchtbar gestelzt? »Daher müssen
wir herausfinden, ob er Feinde hatte, bedroht wurde, in
Geldschwierigkeiten war. Alles kann von Belang sein.«
Sie zuckte die Achseln.
Ȇber so etwas haben wir nicht gesprochen. Meist unterhielten
wir uns über Kunst, Tanz, Klatschgeschichten, gutes Essen. Was uns
Spaß machte.«
Eine gute Gelegenheit, um die
Frage der Fingerabdrücke anzubringen. Anders als Nelly Wegner blieb
Thea Pabst gelassen und streckte ihm bereitwillig die schönen Hände
mit den kurzen, unlackierten Nägeln hin.
»Ist es korrekt, dass
Sie eine Liebesbeziehung zu Herrn Wegner unterhielten?«, lautete
Walthers nächste Frage. Bei dieser Frau schien besondere Zurückhaltung
nicht erforderlich.
»Liebe war es nicht,
eine Beziehung schon«, entgegnete sie mit sanftem Spott. »Es
war schön mit ihm. Entspannend, anregend, ohne Verpflichtung. Ich
habe es sehr genossen. Darf ich fragen, von wem Sie es erfahren haben?«
Sie zündete sich eine Zigarette an und zupfte ein Fädchen Tabak
von der Lippe.
»Von seiner Frau.«
Walther behielt sie im Auge, wartete auf die Reaktion. Die Tänzerin
blieb völlig gelassen.
»Die arme Nelly. Wir
sind uns nie begegnet, aber Arnold hat gelegentlich von ihr gesprochen.
Immer mit Respekt, wenn auch mit wenig Leidenschaft. Sie war wohl eher
praktisch für ihn.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie hielt ihm den Rücken
für die Arbeit frei, wie es bei Künstlerfrauen häufig der
Fall ist. Er konnte malen, sie besorgte den Haushalt. Nahm Anrufe
entgegen. Kochte und wusch für ihn.«
Ihre direkte Art gefiel ihm.
Es tat gut, wenn Zeugen zur Abwechslung einmal keine Ausflüchte
benutzten oder sich jedes Wort aus der Nase ziehen ließen. »Hat
er jemals erwähnt, dass sie Streit hatten? Dass seine Frau womöglich
eifersüchtig war?«
Thea schüttelte den
Kopf. Die kurzen, weichen Locken fielen ihr ins Gesicht. »Nein, aber
wir kannten uns auch noch nicht sehr lange. Arnold war nicht der Mann, der
sich bei seiner Geliebten über seine Frau beklagt hätte. Er war…
ein anständiger Mensch.« Es klang, als käme ihr dieses
Kompliment selten über die Lippen.
»Ist Ihnen in letzter
Zeit eine Veränderung an ihm aufgefallen? Wirkte er besorgt? Ängstlich?
Verstört? Hatte sich im Atelier etwas verändert?«
Sie überlegte. »Er
verhielt sich mir gegenüber wie immer. Aber eins ist mir aufgefallen.
Er hatte ein Bild von seinem Elternhaus im Atelier hängen, das ihm
wohl viel bedeutete. Als ich das letzte Mal bei ihm war, habe ich es nicht
mehr gesehen. Erwähnt hat er es allerdings nicht.« Sie zögerte
und schaute zu Boden. »Ich hoffe, die Frage klingt nicht taktlos,
aber ich hätte gern das Bild, das er von mir gemalt hat. Wissen Sie,
ob ich es seiner Frau abkaufen kann? «
Walther sah sie lächelnd
an. »Ich kann verstehen, dass Sie es gern haben möchten.
Vielleicht lässt sich das über den Anwalt, der den Nachlass
regelt, arrangieren.«
»Danke.«
»Eine letzte Frage:
Kannten Sie seine Freunde und Bekannten? Wissen Sie, wer seine Rivalen
waren, mit wem er Streit gehabt haben könnte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wie gesagt, wir verkehrten nicht in der Öffentlichkeit
miteinander. Die einzige Ausnahme war die Abendgesellschaft, bei der wir
uns kennen
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